Polizei verbreitete Propaganda
INNERES Die dramatischen Berichte über die Störung der „Alternative für Deutschland“ fußten auf Partei-Angaben. Nun rudert die Polizei zurück
Saalschlacht à la Weimar, Messer und Vermummte? Die AfD gibt sich gern verfolgt
Der „Überfall im Bürgerpark“, mit dem vor anderthalb Wochen eine Wahlkampf-Veranstaltung der als rechtspopulistisch geltenden „Alternative für Deutschland“ (AfD) gestört worden war, sorgte für großen Wirbel. Während der Innensenator zwei Tage später „den gewalttätigen Angriff entschieden verurteilte“ und staatsmännisch betonte, „jede zur Wahl zugelassene Partei hat das Recht, Wahlkampf zu machen, auch wenn rechtspopulistische Botschaften für Demokraten nur schwer aushaltbar sind“, waren andere schon wesentlich weiter: Er fühle sich an schlimme „Weimarer Zeiten“ erinnert, tönte ein Professor der Uni Bremen im Weser-Kurier. Schon auf Grundlage der damaligen Meldungslage war das eklatanter Unsinn – und nun kommt heraus, dass der tatsächliche Tathergang wesentlich undramatischer war, als dargestellt.
Als Presse-Information Nr. 0464 hatte die Polizei noch am Tag des Vorfalls eine Mitteilung verbreitet, die sich in auffälliger Weise mit dem deckte, was die AfD selbst versendet hatte. Demnach sei die Veranstaltung durch „20 bis 25 teilweise vermummte Personen plötzlich gestürmt“ worden, acht seien auf die Bühne gelangt, auf der gerade der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke sprach. Weiter ist die Rede von 16 Verletzten, darunter zwei Kindern, und drei Festgenommenen, „die mutmaßlich dem links orientierten Spektrum zugeordnet werden können“. Dann heißt es in der Polizeimitteilung, die bundesweite Resonanz fand: „Während der Verfolgung [der Linken] wurde ein Helfer der ,Alternative für Deutschland‘ mit einem Messer angegriffen.“
Diese dramatische Darstellung wird von der Polizei nun nicht mehr aufrechterhalten. „Unsere Erstmeldung fußte auf den Angaben der Veranstalter“, gab Polizeipräsident Lutz Müller gestern in der Innendeputation zu. Das ist umso überraschender, als die Polizei schon vor Beginn des Gerangels mit erheblichen Kräften vor Ort war, wie Müller gleichzeitig betont. Aussagen aus eigener Anschauung wären den BeamtInnen demnach durchaus möglich gewesen.
Gestern stellte Müller klar: „Ein Messer war keineswegs im Spiel.“ Die leichte Handverletzung eines AfD-Anhängers, der einen der Störer verfolgte und festhielt, müsse andere Ursachen haben.
Auch die Anzahl der Vermummten muss Müller zu Folge deutlich korrigiert werden. Gesichert sei lediglich, dass zwei Störer maskiert waren. Das zeige ein Video. Allerdings seien noch nicht alle Aufnahmen ausgewertet worden. Müller schätzt: „Vielleicht waren acht bis zehn Personen vermummt.“ Auf die Bühne wiederum seien nur drei bis vier Protestierer gelangt, die Lucke hinunter schubsten. Im Übrigen, so Müller, habe bislang lediglich einer der Festgenommenen ins linke Spektrum eingeordnet werden können. HENNING BLEYL