Das Andersartige

FESTIVAL Das Filmfest Oldenburg konzentriert sich auf schräge, dreckige Independent-Produktionen. Auf den roten Teppich will man bei der Eröffnung aber nicht verzichten

In den USA hat sich über die Jahre ein Freundeskreis für das Filmfest Oldenburg gebildet

VON WILFRIED HIPPEN

Es wird zwar gerade zwanzig Jahre alt, ist aber immer noch das junge, rebellische und unbequeme Filmfest im Norden. Anders als etwa die Festivals in Emden und Braunschweig bietet es keine breite Palette mit nachgespielten internationalen Festivalerfolgen und polstert sein Programm auch nicht durch Reihen mit NDR-Produktionen aus, die die Festivals nichts kosten und zu denen immer gerne Schauspieler und Regisseure anreisen.

Das Filmfest Oldenburg ist anders. Geprägt wird das Festival durch den Geschmack und die Durchsetzungskraft des Gründers und Festivalleiters Torsten Neumann. Der mag das dreckige, unabhängige, billige und schräge Kino und hat von Anfang an keine Kompromisse bei der Filmauswahl gemacht.

Gut, so ganz stimmt das nicht: Für die Eröffnungsfilme gab es immer Sonderregeln, denn bei ihnen ist es wichtig, dass Promis über den roten Teppich schreiten, um den geladenen Gästen, die man danach in keiner anderen Vorstellung mehr findet, ein gutes Gefühl zu geben. In diesem Jahr wird fest mit Sunnyi Melles gerechnet. Im letzten Jahr war es eine wirkliche Überraschung, als mit „Oh Boy“ der beste Film das Festival eröffnete und dann auch alle Preise abräumte.

Den Kern des Oldenburger Filmfests bildete von Anfang das amerikanische Independent-Kino. Über die Jahre hat sich ein Freundeskreis in den USA gebildet, der Oldenburg als einen deutschen Ableger der Indie-Festivals Sundance und Slamdance sieht.

Die Kneipen und Kinos von Oldenburg sind für die Tage des Festivals mit Filmemachern aus den USA gefüllt, die hier auch deshalb gerne ihre Filme zeigen, weil Oldenburg sich mit der Zeit in eine Art Branchentreff verwandelt hat. Es gibt treue Freunde und Unterstützer wie die Schauspielerin Deborah Kara Unger und den Veteranen des Independent Kinos Seymour Cassel.

Bei Cassel hat man das Gefühl, dass er eine feste Klausel in seinen Verträgen hat, nach der jeder Film, in dem er mitspielt, in Oldenburg gezeigt werden müsse. In diesem Jahr wird er mit dem Großen Siegel der Stadt Oldenburg ausgezeichnet und im Stadttheater wird „Faces“ von John Cassavetes aus dem Jahr 1968 aufgeführt, in dem er eine seiner wichtigsten Rollen spielt.

Wie familiär es inzwischen beim Oldenburger Filmfest zugeht, kann man daran erkennen, dass Xan Cassavetes, die Tochter von John Cassavetes, ihren Film „Kiss of the Damned“ vorstellt. Dass dies keine edle Filmkunst, sondern ein schriller Vampirfilm im Stil der 70er-Jahre ist, passt auch genau ins Konzept des Filmfests. Durch ähnliche Verbindungen waren schon Stars wie die Wilson Brüder, Matthew Modine und Mira Sovino in Oldenburg zu Gast. Michael Polish zeigt mit dem Biopic über Jack Kerouac „Big Sur“ schon seinen vierten Film und ist immer noch dankbar dafür, dass sein seltsamster Film „Northfolk“ in Oldenburg einen Publikumspreis gewonnen hat.

In der Stadt ist das Festival umstritten. Lange wurde es von der Kulturbürokratie mit lächerlich kleinen Zuschüssen eher geduldet als gefördert, und wenn nun seit einigen Jahren der Oberbürgermeister Gerd Schwandner das Festival enthusiastisch unterstützt, ist dies ein zweischneidiges Schwert: Der Politiker wird in der Stadt so angefeindet, dass das Festival durch diese Verbindung in verbitterte Auseinandersetzungen hineingezogen wurde. Diese gingen soweit, dass Leiter Neumann 2012 einen Prozess wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte gegen drei Kommunalpolitiker führte, der mit einem Teilerfolg für ihn endete.

Seit einigen Jahren wird die Fördersumme von der Stadt immer geringer und man merkt dem Festival diese Sparzwänge an. Mit 42 Filmen ist das Programm im Vergleich zu früher stark ausgedünnt, eine Reihe mit Dokumentarfilmen und das beliebte Filmfrühstück am Sonntag mussten eingespart werden. Außerdem fällt in diesem Jahr mit dem Cinemaxx der Spielort mit den meisten Sitzplätzen aus, weil die Miete zu hoch ist.

Das geht an die Substanz, aber Neumann kann mit guten Einfällen dagegenhalten. So ist etwa seit einigen Jahren das Gefängnis der Stadt eine der Spielstätten des Festivals. Im Veranstaltungssaal sitzen zur Hälfte Häftlinge bei den Vorführungen, und alle Inhaftierten können die gezeigten Filme auf ihren Fernsehern in den Zellen ansehen.

Außergewöhnlich ist auch, dass in Oldenburg eine internationale Jury, die in diesem Jahr von dem amerikanischen Regisseur und Schauspieler Bobcat Goldthwait geleitet wird, den „German Independence Award – Bester deutscher Film“ vergibt. Goldthwait wird zudem mit einem Tribute geehrt, in dem fünf seiner Filme gezeigt werden.

Die Retrospektive ist der iranischen Filmemacherin Mania Akbari gewidmet. Fünf von ihren sechs Filmen im Programm sind Deutschlandpremieren. Neumann hatte auch in vergangenen Jahren mit Retrospektiven von hierzulande unbekannten Künstlern wie dem Kameramann Phedon Papamichael und dem Sexfilmregisseur Radley Metzger überrascht, und jedes Mal mal war das Publikum zuerst irritiert und dann dankbar für diese Entdeckungen.

Filmfest Oldenburg: 11. bis 15. September