Kiewer Comeback

VON BARBARA OERTEL

Der ukrainische Exregierungschef Wiktor Janukowitsch steht vor einem politischen Comeback: Bei den ersten Parlamentswahlen seit der Orangenen Revolution im Herbst 2004 erreichte Janukowitsch am vergangenen Sonntag mit seiner „Partei der Regionen“ ersten Ergebnissen zufolge über 26 Prozent der Stimmen. Ebenfalls für eine Überraschung sorgte die frühere Premierministerin Julia Timoschenko. Ihre Partei BJUT lag gestern nach Auszählung eines Viertels der Stimmen bei rund 23 Prozent.

Erhebliche Verluste musste die Partei „Nascha Ukraina“ von Staatspräsident Wiktor Juschtschenko hinnehmen. Sie landete mit knapp 17 Prozent nur auf dem dritten Platz. Verfestigen sich die Trends, werden auch die Sozialisten (fünf Prozent) und die Kommunistische Partei (drei Prozent) die Dreiprozenthürde überwinden und damit im nächsten Parlament vertreten sein. Demgegenüber verpasste das liberale Bündnis aus der neu gegründeten Partei Pora und der Partei für Recht und Ordnung (PRP), für das der frühere Boxweltmeister Witali Klitschko auf dem ersten Listenplatz ins Rennen gegangen war, den Einzug ins Parlament.

Um die 450 Mandate in der Werchowna Rada hatten sich insgesamt 46 Parteien und Parteibündnisse beworben. Erstmals wurde nach dem reinen Verhältniswahlrecht gewählt. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) begrüßten in einer ersten Stellungnahme den demokratischen Verlauf der Wahl. Insgesamt habe die Parlamentswahl den internationalen Standards für demokratische Wahlen entsprochen, erklärte die OSZE in Kiew.

Wie es jetzt in Kiew weitergeht und eine künftige Regierung, die eine Koalitionsregierung sein wird, aussehen könnte, war gestern noch unklar. Wiktor Janukowitsch, der sich als Juschtschenkos Gegenkandidat 2004 diskreditiert hatte und bei der neu angesetzten Präsidentenstichwahl unterlegen war, hatte bereits am Sonntagabend von einem „überzeugenden Sieg“ seiner Partei gesprochen. Die „Partei der Regionen“ erklärte, mit allen parlamentarischen Kräften verhandeln zu wollen. Die Basis für solche Gespräche sollte aber nicht die Verteilung von Posten sein, sondern die prinzipielle Ausrichtung der Innen- und Außenpolitik der Ukraine, hieß es.

Exregierungschefin Julia Timoschenko, die von Juschtschenko im vergangenen September entlassen worden war und mit dem Votum ihrer Partei zum Sturz der letzten Regierung unter Juri Jechanurow beigetragen hatte, beanspruchte noch in der Wahlnacht das Amt des Ministerpräsidenten für sich. Eine Neuauflage des „Orangenen Bündnisses“ bezeichnete sie als einzige Option. Gleichzeitig kündigte die 45-Jährige an, das jüngst geschlossene Abkommen mit Russland über eine Erhöhung der Erdgaspreise wieder aufzulösen.

Derweil hielt sich Staatschef Juschtschenko bedeckt. Die für gestern angekündigte Unterzeichnung einer Koalitionsvereinbarung zwischen BJUT, „Nascha Ukraina“ und den Sozialisten wurde verschoben. Aus der Umgebung des Präsidenten verlautete, Juschtschenko wolle zunächst einmal die offiziellen Endergebnisse der Wahlen abwarten. Der Präsident beauftragte den amtierenden Ministerpräsidenten Juri Jechanurow mit den Verhandlungen.

Nicht nur im Kampf um ein Abgeordnetenmandat im Parlament scheiterte der Ex-Boxweltmeister Witali Klitschko. Auch bei der Wahl um das Amt des Bürgermeisters der Hauptstadt Kiew konnte er sich ersten Ergebnissen zufolge nicht durchsetzen. Der 35-jährige millionenschwere Geschäftsmann, der seinerzeit die Orangene Revolution unterstützt hatte, war vor allem mit dem Wahlversprechen angetreten, den Kiewer Korruptionssumpf trocken legen zu wollen.

Neues Stadtoberhaupt dürfte Leonid Tschernowizki werden. Der Geschäftsmann setzte sich überraschend deutlich gegen den amtierenden Bürgermeister Alexander Omeltschenko durch. Diesen bezichtigte Tschernowizki gestern mehrfach, sich massiv in die Auszählung eingemischt zu haben. So habe Alexander Omeltschenko vor allem die Herausgabe von Wahlprotokollen behindert. „Omeltschenko ist hinter seinem Amtssessel her wie der Teufel hinter der Seele“, sagte Tschernowizki.