: Viel Hilfsbereitschaft in Hellersdorf
ASYL Um das neue Heim sei es ruhig geworden, sagt der Bezirk – doch die Gegner stellen sich neu auf
Alles wieder gut in Hellersdorf – mit dieser Botschaft trat am Mittwoch die amtierende Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linkspartei) vor die Presse. „Die Situation hat sich sehr beruhigt“, sagte auch der Leiter des zuständigen Polizeiabschnitts, Martin Jeske. Doch sind die Auseinandersetzungen um das neue Asylbewerberheim wirklich vorbei?
150 Flüchtlinge wohnen inzwischen in der ehemaligen Schule, darunter 50 Kinder. Die schulpflichtigen unter ihnen werden nun in vier Extraklassen auf den normalen Unterricht vorbereitet. Nach Bauarbeiten sollen spätestens im Frühjahr 2014 weitere Bewohner einziehen, 400 Menschen sollen dann im neuen Heim wohnen.
Den Anwohnern, die Flüchtlinge mit Hitlergruß begrüßt hatten, folgte eine Welle großer Hilfsbereitschaft. Es hätten sich mehr als 100 Leute gemeldet, die den Flüchtlingen den Kiez zeigen möchten oder eine Lesepatenschaft anbieten, hieß es. Bei der Initiative „Hellersdorf hilft“ gingen viele Spenden ein, mehr als 200 Umzugskartons mit Kleidung, Spielen, Büchern, Geschirr und Fernsehern. „Es ist wirklich beeindruckend, was da alles gesammelt worden ist“, sagte die Heimleiterin Martina Wohlrabe. Auch das Feedback der Bewohner sei positiv.
Auf den vier nicht öffentlichen Anwohnerversammlungen habe zwar ein Teil der Nachbarn nach wie vor Kritik am Heim geäußert, sagte Pohle. Rassistische Äußerungen habe es aber nicht gegeben. Allerdings kamen nicht einmal 20 Prozent der Eingeladenen. Man versuche aber, auch mit den übrigen in einen Dialog zu treten, sagte Pohle. Sie fand lobende Worte für die linken Aktivisten, die erst mit einer Mahnwache und nun tagsüber mit einem Infostand ihre Solidarität zeigen. Dennoch müsse man nun sehen, wie der Stand abgewickelt werden könne.
Kritik übt die Sozialstadträtin, die derzeit den erkrankten Bürgermeister vertritt, auf Landesebene: Die 30.000 Euro, die für zwei zusätzliche Sozialarbeiter versprochen wurden, seien immer noch nicht da. In Kürze stehe das Geld bereit, sagte eine Sprecherin der Arbeitsverwaltung.
Die Gegner des Heims haben sich inzwischen neu formiert: Aus der „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ heraus, die anonym Stimmung gegen das Heim macht, wurde nun ein Verein gegründet. Er nennt sich „Bürgerinitiative für ein lebenswertes Marzahn-Hellersdorf“, gibt sich seriös, in seiner Satzung wendet er sich gegen Rassismus und Diskriminierung. Er distanziert sich auch von der bisher agierenden „Bürgerinitiative“, die laut Sicherheitsbehörden eng mit der rechtsextremen Szene verbandelt ist. Aber laut Antifa-Initiativen haben zwei der Vorstandsmitglieder des neues Vereins Verbindungen in die Nazi-Szene. Es wäre nicht das erste Mal, dass Neonazis in einem Tarnverein agieren. Pohle sagte, es sei noch zu früh, sich über den Verein zu äußern.
Ganz offen betreibt NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke weiter Hetze. Auf der NPD-Webseite ruft er zur Gründung einer „Antigewalt-Bürgerwehr“ auf. Er sucht Freiwillige, die angebliche „linke Straftäter“ in Hellersdorf unter Druck setzen sollen. Hellersdorf müsse „befreit werden“ von „Linken – Gewalt – Asylanten“. Die Grünen-Abgeordneten Canam Bayram und Clara Herrmann sehen darin eine Aufforderung zu Straftaten und haben Strafanzeige erstattet. Sozialstadträtin Pohle setzt auf „genügend Vernunft der Bürger“, Schmidtkes Aufruf zu ignorieren. Polizeioberrat Jeske weiß am Mittwochnachmittag noch nichts von Schmidtkes Plänen. Aber er verspricht: „Wir sind wachsam.“ SEBASTIAN ERB