: „Horst Köhler hätte bleiben sollen“
RÜCKTRITTE Regina Jankowitsch über den Umgang mit Verantwortung
■ ist Autorin, Coach und Moderatorin. Sie studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Sie ist Lektorin unter anderem an der Universität Wien und der Donau-Universität Krems. 2002 erhielt sie den Walter-Nettig-Preis für das erfolgreichste Jungunternehmen in Wien.
INTERVIEW RALF LEONHARD
taz: Frau Jankowitsch, sowohl in Deutschland als auch in Österreich wird nach Ihrem Dafürhalten zu wenig zurückgetreten. Fällt Ihnen ein Rücktritt ein, der überflüssig war?
Regina Jankowitsch: Der Rücktritt von Horst Köhler war für mich einer zu viel. Der war unverständlich und mit der Würde und Gelassenheit des Amtes, welches das in unserer Wunschvorstellung haben sollte, nicht vereinbar.
Bei seinem Nachfolger haben die Medien eine sehr aktive Rolle gespielt. Tut man ihm Unrecht?
Schwer zu sagen. Vermutlich hätte Herr Wulff, wäre er nicht Bundespräsident gewesen, die diversen Vorwürfe, bei denen es nicht um große Beträge geht, besser überstanden. Ich glaube, dass es legitim ist, wenn die Justiz genauso vorgeht, wie bei jedem anderen auch. In Österreich hätte man wegen 700 oder 800 Euro vermutlich niemanden aus dem Amt getrieben. Aber ungeachtet der Vorfälle und Verfehlungen sollten wir nicht außer Acht lassen, dass er sich durch seinen Anruf bei der Bild Zeitung in einer sehr ungeschickten Weise decouvriert hat. Da hat er sein Amtsverständnis – direkte Beeinflussung der Medien – gezeigt. Und er war kein Sympathieträger.
Spielt das eine wichtige Rolle?
Es ist menschlich, dass Leute, die sympathisch wirken, da einen etwas größeren Spielraum haben. Das hat nichts mit der Ideologie zu tun. Das ist eine Frage der Persönlichkeit, der Haltung. Wenn ich den Eindruck habe, dass die persönlichen Interessen vor den Sachinteressen stehen, sehe ich genauer hin und dann gibt es weniger erfolgreiche Exit-Strategien.
In Ihrem Buch beschreiben Sie die Kunst des Rücktritts. Sie coachen ja Politiker. Haben Sie schon jemanden erfolgreich in den Rücktritt gecoacht?
In den letzten Jahren zwei. Einer hat sich von mir die Bestätigung geholt, dass er zurücktreten soll. Beim anderen Fall war es ein Kampf mit den Gremien und der Familie. Da wurde jemand gedrängt, zu bleiben, um der Partei nicht zu schaden. Mein anderer Kunde hatte einen anderen Weg vor sich. Da ist es leichter mit dem Loslassen. Ich kann viel leichter Abschied nehmen, wenn ich weiß, wo meine nächste Reise hingeht.
Was macht man mit Uncoachbaren wie Peer Steinbrück oder Österreichs Finanzministerin Maria Fekter?
Einer davon war sogar mein Kunde. Man kann ihnen eine höhere Sensibilität im Umgang mit anderen Menschen, vor allem Journalisten, antrainieren. Aber Sie können einen erwachsenen Menschen in kurzer Zeit nicht verändern. Ich kann jemanden auf einen wichtigen Auftritt vorbereiten. Aber dass jemand lernt, täglich in einer klaren Form zu kommunizieren, das dauert.
■ Diskussion mit Regina Jankowitsch, der ehemaligen Gesundheitsministerin Andrea Fischer und der Journalistin Nicole Alexander: 9. September, 19 Uhr im taz Café, Rudi-Dutschke-Str. 23, 10969 Berlin
■ Regina Jankowitsch: „Tretet zurück! Das Ende der Aussitzer und Sesselkleber“, Verlag Carl Ueberreuter, Wien 2013, 112 Seiten, 9,95 Euro