: „So etwas kann man nicht messen“
Im taz-Interview: Der Wetterbeobachter Gerhard Lux über Luftmassen, die sich wie Paternoster verhalten, und die Schwierigkeit, hierzulande einen Tornado genau vorherzusagen
taz: Durch den Tornado in Hamburg sind zwei Kranführer zu Tode gestürzt. Warum sind sie nicht gewarnt worden?
Gerhard Lux: Warnungen vor Gewitter und Sturmböen liefen den ganzen Tag. Eine Tornadowarnung kann es nicht geben, denn Tornados lassen sich nicht vorhersagen. Sie sind in Deutschland zu kurzlebig und kleinräumig. Auf dem Wetterradar und auf Satellitenbildern sind sie deshalb nicht zu erkennen. Bei jedem kräftigen Gewitter können theoretisch Tornados entstehen. Das geschieht aber nur sehr selten.
Wieso ausgerechnet gestern?
Das weiß Petrus allein. Es gab sehr warme Luft, die von Frankreich und den Beneluxstaaten kam, und oben drüber sehr kalte Luft von England her. Wenn eine Schicht sehr kalter Luft über einer warmen Luftschicht liegt, versucht die Atmosphäre das auszugleichen. Die Luft fängt sofort an, auf- und abzusteigen wie ein Paternoster. Überall wo es nach oben geht, bilden sich Wolken. Es kommt zu Gewittern. Geschieht das im großen Stil wie gestern, stehen schnell mehrere Gewitter in einer Linie nebeneinander.
Wie kam es zu dem Tornado?
Das ist eine Sache, die von Kleinigkeiten abhängt. Der Auslöser, der die Luft rotieren lässt, ist schwer zu identifizieren. Das ist wie bei einem Topf mit kochendem Wasser, bei dem man nicht weiß, wo die nächste Blase aufsteigt. Bereits am Nachmittag haben wir aber vor einem markanten Gewitter mit Sturmböen und Dauerregen gewarnt. Außerdem haben wir in unserer Wochenwarnung am Freitag auf mögliche Sturmböen im Westen und Norden Deutschlands hingewiesen.
Trotzdem sind die Kranführer oben geblieben ...
Augenzeugen zufolge kamen die Wolken wie eine schwarze Wand auf Hamburg zu. Eigentlich müsste man in so einer Situation vom Kran steigen. Man muss damit rechnen, dass bei so schweren Gewittern auch mal ein Tornado auftreten kann. Wir wollen aber niemandem die Schuld geben.
Wie stark war die Windhose?
So etwas kann man nicht messen. Man kann es nur an den Schäden erkennen. Nachdem, was man gesehen hat, war es kein ganz kleiner, aber auch kein ganz großer Tornado. Offensichtlich war er nur 30 Sekunden wirksam.
Interview: Gernot Knödler