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Archiv-Artikel

Gedenken nach Plan

Morgen präsentiert Kultursenator Flierl den Kulturexperten im Abgeordnetenhaus und im Bundestag sein überarbeitetes Konzept zum Mauergedenken. Es sieht fünf zentrale Erinnerungsorte vor. Selbst die CDU lobt die Neufassung als „klug und überfällig“. Im Mai soll das Konzept verabschiedet werden

VON NINA APIN

Morgen präsentiert Kultursenator Thomas Flierl (Linkspartei) den Kulturexperten der Fraktionen von Bundestag und Abgeordnetenhaus sein Mauergedenkkonzept. Seit November 2004 arbeitet eine Expertengruppe aus Mitgliedern der Senatsverwaltung, der Bundesregierung und von verschiedenen Gedenkstätten an dem Mammutwerk, das die wild wuchernde Erinnerungslandschaft Berlins ordnen soll. Voraussichtlich Ende Mai soll das Konzept vom Senat verabschiedet werden.

Es sieht vor, das Gedenken an Mauer und die deutsche Teilung an fünf zentralen Orten in der Stadt zu konzentrieren: Brandenburger Tor, Bernauer Straße, Checkpoint Charlie, East Side Gallery und Niederkirchnerstraße. Zwischen diesen Orten sollen Besucher und Einheimische mittels einer eindeutigen Markierung und mehrsprachiger Informationsangebote entlang der ehemaligen Mauer geführt werden. Auf einer Website soll man sich individuelle Touren zusammenstellen und die ausgewählte Strecke mit einem mobilen Audioguide beschreiten können.

Eine mauerhistorische Rennstrecke oder ein Schilderwald soll der Erinnerungsparcours aber nicht werden. „Jeder historische Ort wird mit abgestimmten Themen aufgewertet“, sagt Maria Nooke. Die Leiterin des Dokumentationszentrums Berliner Mauer an der Bernauer Straße war an der Ausarbeitung des Konzepts beteiligt. Mit dem Resultat ist sie mehr als zufrieden: Es war richtig, die gewachsenen dezentralen Erinnerungsorte beizubehalten, sagt sie.

Passend zum jeweiligen Ort, so Nooke, stünde künftig ein besonderer Aspekt der Mauergeschichte im Vordergrund. Am Brandenburger Tor soll die nationale Erinnerung an die Grenze gebündelt werden. Es soll als erste Station Besucher in die Erinnerungslandschaft hineinführen: Ein Informationspunkt im 2007 öffnenden U-Bahnhof wird über die einstigen Geisterbahnhöfe informieren und zu den anderen Gedenkorten verweisen. An der East Side Gallery soll weiterhin die künstlerische Auseinandersetzung mit der Mauer im Vordergrund stehen. Nach Angaben der Senatskulturverwaltung gibt es bereits Mittel für eine Rekonstruktion der bemalten Mauerreste an der Mühlenstraße.

Am Checkpoint Charlie soll die internationale Bedeutung der Mauer im Kalten Krieg hervorgehoben werden. Bereits zur Fußball-WM sollen entlang des früheren Grenzübergangs Schautafeln und Fotos die Geschichte des Ortes darstellen. An der Niederkirchnerstraße sollen mittels Computern die verschiedenen Zeitschichten sichtbar gemacht werden, die zwischen der „Topographie des Terrors“ und dem daneben erhaltenen Mauerstück liegen.

Die Bernauer Straße ist das Herzstück des Gedenkkonzepts. Zwischen den Mauerresten auf dem ehemaligen Grenzstreifen und Nookes Dokumentationszentrum soll ein zentraler Gedenkort entstehen. Dort wird das Thema „Alltag in einer zerstörten Stadt“ dominieren. Am Nordbahnhof soll den Besucher ein Infostand empfangen und ihn zu Rundwegen durch die Maueranlagen einladen. Der ehemalige Grenzstreifen, der jetzt eine Brache ist, soll umgestaltet werden. Nooke und ihre Mitarbeiter haben dazu bereits einen Gestaltungswettbewerb ausgearbeitet. Auch das Dokumentationszentrum soll ausgebaut und seine Ausstellung erweitert werden. Das Konzept sieht dazu ein wissenschaftliches Forschungsprojekt vor, das die Biografien der Mauertoten aufarbeiten soll. Maria Nooke lobt die „produktive Arbeit“ am Konzept. „Jetzt liegt es an den Verantwortlichen in Bund und Ländern, sich für die Realisierung einzusetzen.“

Die Vorlage, deren Umsetzung nach Angaben der Kulturverwaltung 25 Millionen Euro kostet, soll gemeinsam von Bund und Land getragen werden. Vom Bund hängt es jetzt im Wesentlichen ab, ob der für 2007 bis 2011 geplante Realisierungszeitraum eingehalten werden kann. Besonders an der Bernauer Straße hofft der Senat auf Finanzhilfe beim Rückkauf von Grundstücken auf dem einstigen Grenzstreifen. Am guten Willen der Abgeordneten dürfte es jedenfalls nicht mangeln. Flierls Werk findet breite Zustimmung – selbst in der CDU. Monika Grütters, Mitglied im Bundesausschuss für Kultur und Medien, lobt das Konzept als „klug und überfällig“. Nur Flierls Interpretation des Checkpoint Charlie als Ort des Kalten Krieges kritisiert sie als „geschichtsnivellierend“. Ihre Interpretation: „Das war ein Ort eines einseitigen Freiheitskampfes.“ Darüber muss ab morgen wohl noch diskutiert werden.