: Zwischen Schlagerbands und David Guetta
LÄRM Auf dem Tempelhofer Feld sollte am Sonntag der letzte Überlebende des Vernichtungslagers Sobibór sprechen – zeitgleich zur Schlagerband „Sternblut“ auf der anderen Seite der Rollbahn
Das Tempelhofer Feld wäre am Sonntag beinahe ausgebucht gewesen: Während am frühen Nachmittag der letzte Überlebende aus dem Vernichtungslager Sobibór am „Tag der Erinnerung und Mahnung“ sprechen sollte, hätte auf der anderen Seite der Rollbahn die Allgäuer Schlagerband „Sternblut“ gespielt. So zumindest war der Plan der Tempelhof Projekt GmbH, die das ehemalige Flughafengelände an die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und die Telekom zugleich verpachtet hat.
„Das ist ein verantwortungsloser Affront uns gegenüber“, kritisierte jedoch Beate Winzer, die den Tag der Mahnung mitorganisiert. So haben auch die Betreibergesellschaft des Feldes und die Veranstaltungsagentur „Gemeinsame Sache“, die das Telekom-Konzert organisiert, eingelenkt: Das Programm wurde deshalb kurzfristig geändert.
Niedrige Lautstärke
„Wir haben unseren Zeitplan angepasst“, sagte Marko Hegner von der Agentur. Das Konzert beginnt nun erst, nachdem der Zeitzeuge Philip Bialowitz gesprochen hat. Bis zum Ende der Gedenkveranstaltung um 18.30 Uhr werde die Lautstärke niedrig gehalten, versicherte Hegner.
„Das Telekom-Event haben wir relativ kurzfristig geplant“, sagte Martin Pallgen, Sprecher der Tempelhof Projekt GmbH, man könne die Bühnentechnik des am Freitag und Samstag stattfindenden „Berlin Festival“ nutzen. Die VVN macht den Veranstalter jedoch auf seine Verantwortung als Firma in öffentlicher Hand aufmerksam: „Wir erwarten eine Entschuldigung vom Regierenden Bürgermeister“, sagte Mitorganisatorin Winzer. Sie verweist auch auf die Zwangsarbeiterlager auf dem Flughafengelände und fordert einen sensibleren Umgang mit Gedenkinitiativen.
Agentur-Sprecher Pallgen hingegen sagte, Doppelbelegungen seien „gang und gäbe“. Es gehe darum, die unterschiedlichen Interessen auf dem ehemaligen Flughafengelände zu koordinieren. Immerhin: „Der Kompromiss ist schlecht, aber wir haben das Beste rausgeholt“, hieß es schließlich vonseiten der VVN.
Wenn auf der Telekom-Bühne am Abend der Sound für David Guetta aufgedreht wird, treten auch beim „Tag der Mahnung“ bereits drei Rap-Gruppen auf. Wenn zu dieser Stunde Musik von der anderen Seite herüberweht, dürfte es insofern nicht mehr so schlimm sein. CEM GÜLER