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Archiv-Artikel

STILKRITIK Dilemma.com

Die Nachrichten aus Übersee klingen recht deutsch. Neue Parteien, die für Freiheit im Internet kämpfen, treten an. Aber es läuft schlecht für sie.

Zwar sind ihre prominenten Figuren im Internet zu Hause: Der Whistleblower Julian Assange kandidiert an der Spitze der Wikileaks-Partei in Australien, in Neuseeland will der wegen Verbreitens von Raubkopien von den USA juristisch verfolgte Unternehmer Kim Schmitz (Kim Dotcom) eine Partei gründen. Doch Schmitz ist auch in den Augen vieler Netzaffiner ein Schurke, Assange und seine Leute streiten sich, haben zudem rechte Parteien unterstützt. Erinnert an die Querelen der deutschen Piraten.

Unglaublich eigentlich. Wenn schlagkräftige Netzparteien gebraucht würden, dann jetzt. Die NSA-Spähaffäre hat gezeigt: Das Kommunikationsgeheimnis steht auf dem Spiel. Die Organisatoren der „Freiheit statt Angst“-Demo am Wochenende erwarten den größten Zulauf seit Jahren. Doch wer der Bedeutung dieses Themas auch am Wahltag mit seiner Stimme Ausdruck verleihen will, steht vor einem Dilemma: Die Netzparteien und ihre wichtigen Anliegen verschwinden hinter zweifelhaftem Personal und fragwürdigen Aktionen.

Noch im 2011 schwärmte die Chaos-Computer-Club-Sprecherin Constanze Kurz in einem Essay, die Piraten versuchten, Politik mit den „Mitteln des 21. Jahrhunderts“ zu gestalten, ohne „in die Falle des niemals endenden Gelabers ohne bindende Entscheidungen zu tappen“. Sie machte einen neuen Typus des Politikers aus – „möglichst transparent“, der die per Netz abgestimmte Parteimeinung direkt nach außen trage. Schön klang das in der Theorie.

Doch die Piraten brauchten nicht mal einen Exzentriker wie Julian Assange, um sich als ernstzunehmendes politisches Angebot vorerst zu erledigen. Ihre Mannschaft regelte das zuverlässig in monatelanger Kleinarbeit.

Der Blogger Jürgen Geuter, im Netz als „tante“ bekannt, schrieb kürzlich in einer „Wahlempfehlung“: Dem Programm nach könne man die Piraten ja für linksliberal halten. „Leider wissen das wohl viele Mitglieder nicht.“ Der Wahl-O-Mat dürfte vielen linken Wählern die Piraten nahelegen. Aber was hilft das netteste Programm, wenn die Kandidaten im Bundestag als Erstes einen Mediator bräuchten? ASTRID GEISLER