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Archiv-Artikel

Spielt 2 aus 3

Endlich wackelt das staatliche Monopol auf Sportwetten! Ein Zocker-Plädoyer für den freien Wettmarkt

VON ANDREAS GLÄSER

1953, als in der DDR der Arbeiteraufstand niedergeschlagen wurde, führten Ulbricht & Co. die Fußballwette 13+1 ein, um die Zonenkinder zu beschäftigen. 13+1 hörte sich nach Zahlenlotto an, nach 5 aus 35 und 6 aus 49, weniger nach sportlichem Fachwissen, das in bare Münze umgewandelt werden könne, mehr nach purem Zufall, bei dem eine Monatsmiete nach der anderen draufzugehen drohte. Damit die Arbeiteraufstände nicht genauso oft zelebriert wurden wie die Republikgeburtstage, gab es noch die Elferwette. In der Bundesrepublik war es kaum anders, dort gab es neben der traditionellen Elferwette noch die Auswahlwette 6 aus 45, bei der man die Spiele mit den höchsten Unentschieden vorherzusagen hatte.

Alles ganz furchtbar, im Sportwettenentwicklungsdeutschland.

Auch im Jahre 1989 fand keine wirkliche Revolution statt, die Leute hatten weiterhin an der Elferwette herumzukauen. Erst um die Jahrtausendwende wurde es endlich spannend: Jene Oddset-Wetten wurden angeboten, bei denen man nicht mehr elf bestimmte Spielausgänge vorherzusagen hatte, sondern innerhalb einer Woche aus 90 nationalen und internationalen Begegnungen setzen konnte, mindestens auf drei, höchstens auf zehn, und zwar nach eigener Wahl. Nun wurde ansatzweise möglich, was bei vielen Nachbarn seit Jahr und Tag möglich war: das flexible Wetten.

Inzwischen drängte aus Österreich der Anbieter „betandwin“ auf den deutschen Markt. Doch weil das Monopol, Wetten anzubieten, weiterhin beim Staat lag, waren die Oddset-Zweigstellen in den Stadtbildern eher wahrzunehmen als die Internetriesen „betandwin“ oder „Sportwetten Gera“. Für einen echten Spieler wie mich ist das ein Problem. Ich suche mir nicht nur dauernd neue Ansetzungen heraus, sondern mitunter auch neue Anbieter, bei denen es weniger kompliziert zugeht. Prima, wenn sie Einzelwetten anbieten!

Ein Mann, ein Wort; ein Zocker, ein Spiel.

Die Österreicher sollen in NRW nur ein Büro haben. Von mir aus, solange ich mein Geld überwiesen bekomme. Der Fußball ist international, die Wetten sind es auch, also warum fungiert der eine Anbieter als staatlicher Monopolist, weshalb bewegt sich der andere in einer rechtlichen Grauzone? Mir ist es egal, ob mein eventueller Verlust in die deutsche Sportförderung fließt oder in ein Tiroler Anwesen.

Wieso hängt das Glück des deutschen Sports eigentlich von den gelegentlichen Finanzkrisen der Bürger ab? In meinem Umfeld zocken viele mindestens zweimal wöchentlich, aber ich kenne niemanden, der bei Oddset spielt, beim derzeitigen Marktführer. Ich lebe in Berlin, hier hören auch weniger Menschen den Ex-Kanzler-Pop von Pur. Schon die Zonenkinder haben jenseits des staatlichen Spielbetriebs mit Monatsgehältern um sich geschmissen, heute werden Wettspielbetreiber von ihren Stammkunden zwecks persönlicher Quote angebaggert, so wie es der Kunde von seinem Handwerker steuerfrei erledigt bekommen will.

Bei Oddset können sie nicht dieselben Quoten anbieten, auch weil sie höhere Abgaben an den Staat zu leisten hätten. Aber mir geht es gar nicht um die Quoten, denn die variieren vergleichsweise unwesentlich. Ich mustere nicht die Tauben auf dem Dach. Oddset bietet wie gesagt Kombinationswetten an. Ich will den Spatz in der Hand, ich will jeden zweiten Tag bei einer Begegnung wie Arsenal gegen Juventus insgesamt 70 Euro auf Heimsieg und Remis setzen und einen knappen Hunderter zurückbekommen.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass das staatliche Monopol für Sportwetten derzeit nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, auch nicht mit dem EU-Recht der Berufsfreiheit. Nun wird der Markt legaler, auch härter. Internationale Branchenriesen starten durch, schaffen Arbeitsplätze, Halleluja! Es wird davon geredet, dass übers Fernsehen ein riesiges Potenzial abgerufen werden könne, indem in den Spielshows diverse Sportwetten integriert werden. Aber hey!

Ich will entweder Fußball kucken, nach schöner Sportschau-Manier, oder sehen, wie die Puppen tanzen. Mich interessiert kein Wort zum Sonntag mit Wettangebot. Mir geht die derzeitige Aufregung am Allerwertesten vorbei. Oder haben die Leute jetzt mehr Glück beim Voraussagen der Spielausgänge? Steigen die Chancen mit volleren Jackpots?

Deutschland ist ein Kindergarten.

Der Präsident des Deutschen Sportbundes hatte im Vorfeld des Urteils die drohende Liberalisierung als Katastrophe bezeichnet. Doch als Katastrophe würde ich allenfalls meine Ergebnisse bei 6 aus 45 bezeichnen. Während der ersten Verhandlung war es ein großes Thema, ob mit der zu erwartenden steigenden Präsenz der Zockerbuden die Spielsucht steigt. Ein Karlsruher Richter verlautbarte: „Der Staat dürfe das Monopol nicht mit seinen finanziellen Interessen an Wetteinnahmen begründen, sondern müsse es konsequent am Ziel der Bekämpfung von Wettsucht ausrichten.“

Ich habe ein Dutzend solcher Fragen für mich beantwortet, als ich mir auf einer Internetseite die Zeit mit etwas Spielsuchtprävention vertrieb. Es hieß, wenn ich mindestens sieben Fragen mit Ja beantworte, wäre ich süchtig. Ich kam auf vier Ja-Punkte. Ob ich mir schon einmal Geld bei Verwandten oder Bekannten geborgt hätte, um spielen zu können? Diese und andere Fragen verneinte ich, oder anders ausgedrückt: ich hatte denen schon Geld geborgt, wahrscheinlich für die solide Börse.

Andreas Gläser, 40, ist Schriftsteller und lebt in Berlin. Sein neues Buch „DJ Baufresse, Geschichten“ ist im Gustav Kiepenheuer Verlag erschienen.