Antifa-Symbole im Ländle nix gut

Stuttgarter Staatsanwaltschaft klagt Versandhändler an: Durchgestrichene Hakenkreuze seien zu missverständlich

BERLIN taz ■ Ein Strichmännchen, das ein Hakenkreuz in eine Mülltonne kloppt, könnte schon bald zum beliebten Symbol unter Neonazis werden. Das befürchtet die Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Sie hat daher Anklage gegen den Chef des Versandhandels „Nix-Gut“ erhoben, der solche und andere klassische Antifa-Symbole vertreibt. Das weggeworfene Hakenkreuz könne schließlich auch ganz anders verstanden werden: Vielleicht holt das Männchen das Nazi-Symbol ja aus der Tonne heraus?

Die Staatsanwaltschaft will mit ihrer Anklage gegen Jürgen Kamm, den Betreiber des schwäbischen Punk-Versandhandels, Grundsätzliches klären lassen. Ist das Verwenden und Vertreiben eines deformierten Hakenkreuzes strafbar? Die Behörde sorgt sich, dass ausländische Touristen die Symbole missverstehen könnten. Außerdem könnte durch ihre massenhafte Verbreitung das Hakenkreuz langfristig wieder salonfähig werden. „Es gibt auf diesem Gebiet unterschiedliche Rechtsauffassungen“, sagt Staatsanwältin Beddies. „Wir wollen mit unserer Klage Rechtssicherheit schaffen.“ Die Behörde hat daher gleich beim Landesgericht Anklage erhoben. Nach einer Revision gelangt der Fall so direkt an den Bundesgerichtshof, und eine höchstrichterliche Entscheidung wäre gefunden.

Im August 2005 bekam der Angeklagte Jürgen Kamm Besuch von der Polizei. Die beschlagnahmte 10.000 Artikel mit vermeintlich missverständlichen Hakenkreuzen. Ein Schaden von 80.000 Euro, klagt Kamm. Aber der Unternehmer wollte nicht klein beigeben: „Wir haben uns nach langem Ringen dazu entschlossen, die Antifa-Produkte weiter zu verkaufen.“ Die machen immerhin 15 Prozent des ganzen Sortiments aus.

Kamm kann die Staatsanwaltschaft nicht verstehen. „Sie argumentiert, dass Ausländer die Symbole missverstehen könnten“, sagt er. „Aber wird man im Ausland verstehen, dass in Deutschland wieder Antifaschisten verfolgt werden?“

Antifa-Symbole hatten die Behörden in Baden-Württemberg schon letzte Woche beschäftigt, als ein Student vom Tübinger Landesgericht freigesprochen wurde, der einen Button mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz getragen hatte. Das Gericht war der Auffassung, dass der Anstecker ausdrücklich eine antifaschistische Gesinnung ausdrücke. Das rote Verbotszeichen über dem Hakenkreuz sei international bekannt, Missverständnisse seien ausgeschlossen. TORSTEN GELLNER