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Archiv-Artikel

Buschkowsky sagt Namaste

RELIGION Weihrauch, bunte Gewänder und gesummte Mantren: In Britz eröffnet Berlins erster Hindu-Tempel. Willkommen ist hier jeder – egal ob Politiker oder heiliges Tier

Mit einem Kran weihten die Priester das Gebäude mit heiligem Wasser

VON CANSET ICPINAR

Schon aus der Ferne riecht man Weihrauch, es sind Trommelgeräusche, Gesang und das Muhen einer Kuh zu hören, viele Menschen sind barfuß. Frauen mit bunt lackierten Zehennägeln, gekleidet in noch buntere, aufwendig bestickte Saris, stehen vor dem Gitterzaun eines Gebäudes, dessen Eingang Palmenblätter und Bananenstauden zieren. Sie sind ganz aufgeregt, wie alle, die sich an diesem Sonntagvormittag vor der Riesterstraße 20 in Britz eingefunden haben, wo am Wochenende der erste Hindu-Tempel der Hauptstadt eröffnet wurde: der „Sri Mayurapathy Murugan Tempel“.

Zur Eröffnung sind nicht nur Berliner Hindus gekommen, sondern auch viele aus anderen Teilen der Republik, so wie die 23-jährige Jurastudentin Tharsika, die aus Nordrhein-Westfalen angereist ist. Auch wenn die meisten jungen Hindus im Alltag nur selten Zeit für einen Tempelgang finden, ist es doch selbstverständlich für sie, bei solch einem besonderen Anlass dabei zu sein. Tharsika steht in einer Gruppe vor dem Tempel, es werden Fotos geschossen, während ihre Freundin Vanee freundlich erklärt, dass man sich die Schuhe ausziehen muss, wenn man in den Tempel geht.

Der Grundstein für die Gebetsstätte wurde bereits vor einigen Jahren gelegt, gebaut hat den Tempel der Verein Berlin Hindu Mahasabhai e. V., in dem die tamilische Gemeinde organisiert ist. Sie hatte ihren Hauptsitz bisher in der Urbanstraße in Kreuzberg. Bis heute haben sich die Hindus in Berlin eher in Kellerräumen und Turnhallen getroffen, doch nun thronen ihre Götter, jeder in seinem eigenen Schrein, in einem Tempel. Finanziert hat die Gemeinde das Projekt größtenteils über Spenden, die mit einem Kredit aufgestockt wurden. Gewidmet ist das Bauwerk Murugan, dem Sohn Schiwas, denn er stellt die Hauptgottheit der Tamilen dar. So hat er seinen Sitz im größten Schrein in der Mitte des Tempels, umgeben von anderen Gottheiten wie Ghanscha, Schiwa oder Wischnu, die sechsmal am Tag mit einer Andacht, der „Puja“ geehrt werden.

Der Höhepunkt der mehrtägigen Zeremonien ist die Weihe am Sonntagvormittag. Mehrere hundert Besucher warten vor allem auf einen Auftritt, unter ihnen Heinz Buschkowsky, Neuköllns Bürgermeister. Um kurz nach zehn tritt der Ehrengast auf, groß, majestätisch und weiß: eine Kuh. Das in Indien heilige Tier soll den Tempel segnen. Mit einem Blumenkranz geschmückt, wird die Kuh in den Vorgarten des Tempels geführt, von wo aus sie, mit weiteren Blumen beworfen, einmal um den Tempel läuft – dicht gefolgt von Heinz Buschkowsky. Der sagt anschließend, er wünsche sich, dass auch ein zweiter Hindu-Tempel am Hermannplatz fertiggestellt wird. Der ist seit 2007 im Bau, doch zu sehen ist bislang nur Beton.

Nach der Verabschiedung der heiligen Kuh dürfen die Menschen in den Tempel hinein. Dabei wird den deutschen Gästen der Vortritt gelassen. „Sie warten schon den ganzen Tag“, erklärt verständnisvoll eine ältere Frau in einem grünen Sari. Gastfreundschaft ist den Hindus ein wichtiges Anliegen, im Tempel ist jeder willkommen. Auch um an Zeremonien teilzunehmen, muss man kein Hindu sein. Beim Verein heißt es, man sei sehr um ein positives Verhältnis zur Nachbarschaft bemüht. So lautet ein indisches Sprichwort: „Gäste sind wie Götter, die zu Besuch sind.“

An die grauen Wohnhäuser auf der Blaschkoallee reiht sich im Süden Neuköllns nun also ein farbenfroher Tempel. Er ist rot-weiß angestrichen, auf dem Dach stehen zwei fünf und sieben Meter hohe Türme mit zahlreichen Götterfiguren. Sie wurden in Handarbeit von einem indischen Architekten angefertigt.

Der Termin für die Eröffnungszeremonie ist nicht zufällig gewählt, sondern von Hindu-Priestern nach dem Mondkalender errechnet worden. Zwei Priester wurden zu diesem Anlass aus Südindien eingeflogen.

Bereits seit einigen Tagen wurde die Eröffnung zeremoniell begangen. Die „Puja“ haben jeweils um 5.30 Uhr in der Frühe begonnen. Mit einem Kran weihten die Priester das Gebäude mit heiligem Wasser, Hindus, die sich im Verein engagieren, brachten Opfergaben wie Blumen und Obst, Priester summten heilige Mantren. Den Götterfiguren nahm man die Augenbinde ab, ehe sie in einem heiligen Wasser aus Honig und Kokosmilch gebadet wurde, um sie zum Leben zu erwecken.