Zwei Jahre auf Probe

VON ULRIKE WINKELMANN

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) musste gestern ihre eigenen Leute erneut zur Ordnung rufen: Der Kündigungsschutz werde nur so weit gelockert, wie Union und SPD es in den Koalitionsvertrag geschrieben hätten.

„Es gehört schon zur Frage der Verlässlichkeit, dass wir das, was wir da miteinander vereinbart haben– und zwar nicht im Halbschlaf – als Grundlage nehmen“, sagte Merkel während der Haushaltsdebatte im Bundestag. Und schob nach: „Wenn wir dann in zwei Jahren sagen, das muss weitergehen, wird keiner jemandem ein Denkverbot erteilen.“ Auf diese Weise unterwarf Merkel den Kündigungsschutz seiner eigenen Neuregelung: zwei Jahre Probezeit.

Anlass für die jüngste Aufregung um den Kündigungsschutz war gestern ein Gastbeitrag des Arbeitsministers Franz Müntefering (SPD) im Handelsblatt. Er habe die Arbeit am Gesetz „gestoppt“, nachdem „Teile der Union sich Schritt für Schritt von der Koalitionsvereinbarung in diesem Punkt verabschiedet haben“. Gestern ergänzte er, er werde keine Neuregelung in Angriff nehmen, „die ich eh nicht wollte“.

Schon vor den Landtagswahlen am Sonntag hatte es hierzu Reibereien, eine entsprechende Bemerkung Münteferings sowie einen Schlichtungsversuch Merkels gegeben.

Denn seit einigen Wochen versucht der Mittelstandsflügel der Union, unterstützt von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), die vorgesehene Lockerung noch einmal zu lockern. Vereinbart wurde von Union und SPD im November, die Probezeit für neu eingestellte Arbeitnehmer von sechs Monaten auf zwei Jahre zu verlängern. In dieser Zeit können sie umstandslos gekündigt werden. Dafür sollten „sachgrundlos“ befristete Arbeitsverträge entfallen. Befristungen wären demnach nur noch mit besonderem Grund möglich – etwa einer Elternzeit-Vertretung.

Es dauerte ein Weilchen, bis die Arbeitgeberverbände merkten, dass dies nicht nur von Vorteil wäre. Sie verlangen nun, die Probezeit zu verlängern und gleichzeitig aber die Befristung zu erhalten. Denn erstens kündigt niemand gerne. Nach oder in der Probezeit aber ist eine Kündigung nötig – eine Befristung läuft dagegen einfach aus. Außerdem gilt der besondere Kündigungsschutz etwa für Schwangere oder Behinderte auch in der Probezeit. Die wurde man sonst nur mit Befristungen wieder los. Nicht zuletzt gilt der Kündigungsschutz erst bei Unternehmen ab zehn Mitarbeitern. Kleinere Firmen gewännen nichts, verlören aber die Befristungsmöglichkeit.

Insbesondere auf den letzten Punkt hob gestern auch noch einmal der Sprecher von Wirtschaftsminister Glos ab – der aber ansonsten „nichts weiter dazu zu sagen“ hatte. Münteferings Sprecher erklärte, da der „politische Konsens“ nun durch die Kanzlerin wieder hergestellt sei, stehe der Arbeit am Gesetz nichts mehr im Wege. Das Gesetz sei sowieso „mehr oder weniger fertig“.

Sollte der neue Kündigungsschutz tatsächlich wie vereinbart kommen, bleibt den Arbeitgebern immer noch die Befristung mit „Sachgrund“. Die Arbeitsrechtlerin des DGB, Helga Nielebock, hält es für möglich, dass dann die gesetzlich vorgesehenen Befristungsgründe – vorübergehender Bedarf, Erprobung etc. – stärker genutzt würden. Letztlich aber „muss das die Rechtsprechung entscheiden“, sagte sie.

SPD-Kreise schlossen allerdings nicht aus, dass auch die Union das Gesetz lieber wieder aufs Eis legt, statt sich von Arbeitgeberverbänden beschimpfen zu lassen. Dann bliebe alles, wie es ist – und die SPD würde das als großen Sieg feiern.