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Archiv-Artikel

Lehrstelle wird zum Glücksfall

Der Ausbildungskonsens in NRW ist gefloppt: Um jede Lehrstelle kämpfen zwei Jugendliche. DGB und Opposition fordern Umlagefinanzierung – die Landesregierung setzt auf Freiwilligkeit

VON ANDREAS WYPUTTA

Noch nie hatten Jugendliche in Nordrhein-Westfalen so geringe Chancen auf eine Ausbildung. Derzeit steht rund 70.000 Bewerbern ein Angebot von nur noch 35.000 offenen Lehrstellen gegenüber. Diese negative „Halbzeitbilanz“ zog die Regionaldirektion Nord-rhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit gestern bei der Vorstellung der aktuellen Arbeitslosenzahlen. „Bei kontinuierlich steigender Nachfrage ist das Angebot weiter rückläufig“, so Regionaldirektions-Chefin Christine Schönefeld.

Auch der Arbeitsmarkt selbst zeigt nur leichte Anzeichen einer Frühjahrsbewegung: Zwar sank die Arbeitslosenquote leicht von 12,3 auf 12,2 Prozent, dennoch suchten im März allein in NRW 1,08 Millionen Menschen einen Job. Noch schlechter entwickelte sich der Ausbildungsmarkt. Ende März lag das den Arbeitsagenturen gemeldete Lehrstellenangebot im fünften Jahr in Folge unter Vorjahresstand. Während im 2001 noch knapp 100.000 Lehrstellen zur Verfügung standen, sind es aktuell nur 69.970.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert deshalb wie die Grünen erneut die Einführung der so genannten Ausbildungsumlage – Unternehmen, die keine Lehrstelle zur Verfügung stellen, sollen sich finanziell an den Kosten der Ausbildung beteiligen. „Das duale System der Berufsausbildung wird zum Randphänomen, wenn wie in Detmold fünf Bewerbern eine Ausbildungsstelle gegenüber steht“, so Nordrhein-Westfalens DGB-Chef Guntram Schneider – selbst bestens qualifizierte Jugendliche hätten da kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz.

Besonders problematisch sei die Zahl der Altbewerber, kritisiert Schneider. Über 58.000 Jugendliche, das sind 52 Prozent aller Bewerber, kämen aus unterschiedlichsten Verschiebebahnhöfen wie etwa der „Einstiegsqualifizierung für Jugendliche“ zurück auf den Ausbildungsmarkt. „Der Ausbildungskonsens mit der Wirtschaft ist keine Lösung, sondern produziert nur Warteschleifen. Danach stehen die Jugendlichen wieder ohne Lehrstelle da“, sagt auch Barbara Steffens, Arbeitsmarktexpertin der grünen Landtagsfraktion. „Offensichtlich schaffen die Unternehmen nur unter Zwang ausreichend Lehrstellen.“

Dennoch setzt NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) weiter auf Freiwilligkeit. Der Bundesvorsitzende der CDU-Sozialausschüsse appelliert lediglich an die Unternehmen, freie Lehrstellen auch den Arbeitsagenturen zu melden – und bejubelt ansonsten die „positive Entwicklung der Arbeitsmarktzahlen“. „Den wenigen Taten Laumanns fehlen die Erfolge“, kritisiert deshalb nicht nur SPD-Landtagsfraktionsvize Rainer Schmeltzer. Wenig Verständnis hat auch die Grüne Steffens: „Laumann verniedlicht das Problem.“