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Archiv-Artikel

Endlich die große Kohle

Gerhard Schröder, seit gestern Aufsichtsratschef der Ostsee-Pipeline, bekommt für diese Aufgabe 250.000 Euro im Jahr. Er hält diesen Betrag für angemessen. Das kann man auch anders sehen

von ULRIKE HERRMANN

Es muss Gerhard Schröder immer geärgert haben, wie wenig er als Boss der Genossen verdient hat. Für den täglichen Stress im Kanzleramt gab es monatlich 16.726,07 Euro. Jetzt hat es der Altkanzler endlich zu einem echten Boss gebracht. Schröder muss nur gelegentlich zu einer Sitzung fahren, um dafür 250.000 Euro jährlich zu kassieren. Denn seit gestern fungiert er als Aufsichtsratschef der Ostsee-Pipeline, die ab 2010 Gas von Sibirien nach Deutschland pumpen soll. 51 Prozent gehören dem russischen Staatskonzern Gazprom, der Rest BASF und Eon.

Schröder findet seine Entlohnung angemessen und dekretierte, es sei eine „für solche Aufgaben übliche Aufwandsentschädigung“. Das kann man so sehen, wenn man unbedingt will. Nur drei Beispiele: Der Aufsichtsratschef von DaimlerChrysler erhält jährlich 243.700 Euro. Bei Lufthansa sind es 157.500 Euro und bei RWE 231.000 Euro.

Der neue Job bei der Ostsee-Pipeline ist jedoch keineswegs die einzige Aufgabe, die Schröder inzwischen akquiriert hat. Der Exkanzler berät auch die Investmentbank Rothschild und den Schweizer Ringier-Verlag. Zudem lässt er sich von der amerikanischen Agentur Harry Walker weltweit als Gastredner vermitteln. Kürzlich erst fiel Schröder damit auf, dass er bei einem Investmentfonds auftrat, den sein SPD-Chef Müntefering eine „Heuschrecke“ nennen würde.

Von Schröders wahllosem Einsatz seiner selbst profitiert allerdings auch der Steuerzahler: Die neuen Aufsichtsratsbezüge werden auf das Übergangsgeld des Exkanzlers angerechnet, das der Steuerzahlerbund auf 310.000 Euro schätzt.

Trotzdem hat die Selbstvermarktung Schröders einen schalen Beigeschmack. Der Verdacht liegt allzu nah, dass es sich um legale Korruption handeln könnte. Schließlich hat er als Kanzler die Ostsee-Pipeline befördert, die er nun kontrollieren soll. Diese ungute Verquickung von Politik und Geschäft hat nicht Schröder erfunden: Der einstige Wirtschaftsminister Werner Müller hat erst erlauben lassen, dass Eon und Ruhrgas fusionieren, um wenig später bei der Eon-Tochter RAG anzuheuern. Sein Staatssekretär Alfred Tacke landete bei der RAG-Tochter Steag. Und erst kürzlich ging der Grüne Rezzo Schlauch, einst Mittelstandsbeauftragter der Regierung, als Berater zu EnBW – allerdings nur „für einige tausend Euro“ im Jahr.

Vor allem Energiekonzernen scheint dringend daran gelegen, ihren Einfluss in die Politik abzusichern. Kein Wunder: Zwar sind die Märkte angeblich liberalisiert, doch tatsächlich herrschen weiterhin Monopolstrukturen. Allein Eon konnte im letzten Jahr einen Gesamtgewinn von 7,4 Milliarden Euro verbuchen. Es hatte Symbolwert, dass Schröder ausgerechnet gestern zum Aufsichtsratschef der Ostsee-Pipeline befördert wurde – zeitgleich führte das Bundeskartellamt in Bonn eine Anhörung wegen der überhöhten Strompreise durch. Auch Schröders neuer Arbeitgeber Eon gehörte zu den Beschuldigten.

Doch nicht nur diese politischen Verstrickungen lösen Unmut aus. Zudem regt sich Neid. Es ist der Neid der Normalbürger, die erleben müssen, dass ihre Löhne sinken. Inflationsbereinigt bekommen die Beschäftigten heute durchschnittlich weniger als 1998, als Schröder Kanzler wurde. Dafür wurde er nicht gewählt – und nun soll er als Einziger von seiner Amtszeit profitieren?

Der Fall Schröder wird eine neue Gerechtigkeitsdebatte auslösen. Denn viele Wähler dürften kaum glauben, dass es nur seine Leistung war, die den Exkanzler ins Management katapultierte. Diese Erkenntnis werden die Bürger auch auf die restlichen Konzernchefs und ihre satten Gehälter ausdehnen.