URLAUBSMITBRINGSEL : Nicht uneindeutig
Ganze zwei Wochen lang hab ich keine_n wie mich gesehen. „Keine_n“ ist ein bisschen gelogen, zwei hab ich doch gesehen, aber zwei ist nicht viel in zwei Wochen, überhaupt nicht. Und dabei war ich noch nicht mal in der Pampa; ich war in einer Großstadt. Großstadt, wie Berlin. Bisschen kleiner, ja, aber doch zweitgrößte deutschsprachige Stadt weltweit. Gerade als ich da war, kam das dort in den Nachrichten. Großstadt also.
Und in dieser Großstadt gab’s keine geschlechtsuneindeutigen Menschen, beziehungsweise nur einen pro Woche.
Dabei war ich da jeden Tag unterwegs, zu Fuß und mit der U-Bahn, in der Innenstadt, bei den Touristenattraktionen. Ich war da, wo viele Leute waren, und trotzdem habe ich keine_n gesehen. Ich verlange ja gar nicht so viel – es muss kein angeklebter Bart sein, keine Drag Queen im vollen Ornat. Mir reicht ein bisschen Geschlechterverwirrung, so ein klitzekleines bisschen nur. Ich will nicht immer die Einzige sein, die auf dem Klo angestarrt wird und gefragt: „Sind Sie hier nicht falsch?“
Jetzt bin ich bei den Toiletten gelandet, dabei wollte ich nur berichten, wie’s denn im Urlaub so war. Aber so war es eben: immer auf dem Klo wurde ich angestarrt, und Androgynlichkeiten gab’s nur ganze zwei. Als ich die erste sah, am fünften Tag, war mir nach Jubeln zumute. Ich blieb stehen und starrte sie an. Dann merkte ich, was ich tat, und lief weiter. Die zweite starrte ich etwas diskreter an, aber ich starrte. Eindeutig uneindeutig; ich jubelte noch mal.
Zurück in Berlin jubelte ich auch, zumindest am Anfang, bei der Ankunft am Bahnhof, in der S-Bahn nach Hause, beim Einkaufen am nächsten Tag. So viele Uneindeutigkeiten! Dann schlief es ein, das Jubeln, aber damit bin ich nicht einverstanden. Ich denke, ich werde es beibehalten – Jubel beim Anblick von Frann und Mau. Mein Urlaubsmitbringsel.
JOEY JUSCHKA