: Ein teurer Heimaufenthalt lässt das Erbe schmelzen
PFLEGE Kinder engagieren sich in der Elternpflege auch, um das Familienvermögen zu erhalten
BERLIN taz | Kinder engagieren sich eher in der Pflege der Eltern, wenn diese wohlhabend sind und die Kinder sich als „Gegenleistung“ für die Pflege Geldgaben erhoffen können. Zu diesem Schluss kommen die Sozialwissenschaftler Klaus Haberkern und Martina Brandt in einem Aufsatz in der neuesten Ausgabe der WSI-Mitteilungen (4/2010) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Die Wissenschaftler hatten Befragungsdaten von 1.250 pflegebedürftigen Personen ausgewertet.
„Eltern erhalten zudem eher Pflege von Kindern, wenn eine Erbschaft nicht ganz sicher ist“, erklären die Forscher. „Die Pflege der Kinder könnte also dazu dienen, das Erbe zu erhalten und eher bei der Hinterlassenschaft bedacht zu werden. Die Wissenschaftler hatten Befragungsdaten aus dem Share-Projekt entsprechend gefiltert, um die „Opportunitäts- und Bedürfnisstrukturen“ von Pflegearrangements genauer zu untersuchen. Im Forschungsverbund Share werden Daten zu Gesundheit und Alterung aus mehreren europäischen Ländern regelmäßig erhoben.
Die Daten seien ein Hinweis darauf, dass „die Entscheidung für oder gegen die Pflege der Eltern auch nach pragmatischen und strategischen Gesichtspunkten erfolgen könnte“, schreiben die Forscher. Die „informelle Pflege“ durch Angehörige spielt in Deutschland, Italien und Österreich eine größere Rolle als formelle Pflegeleistungen durch ambulante Dienste. In Dänemark, den Niederlanden und Belgien hingegen leisten professionelle Dienste mehr Pflegearbeit als die Kinder der Betroffenen.
Besonders die Heimunterbringung verschlingt Geld. Bei der stationären Unterbringung werden hierzulande private Zuzahlungen von 1.500 bis 2.000 Euro monatlich fällig. Diese müssen die Pflegebedürftigen aus ihrer Rente und ihrem Vermögen bestreiten, was Erbschaften schmälert. Gegebenenfalls werden auch die Kinder zur Mitfinanzierung herangezogen.
Laut Pflegestatistik sind in Deutschland 2,25 Millionen Menschen pflegebedürftig. Mehr als zwei Drittel davon werden zu Hause versorgt. Der Bundesverband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) warnte am Montag davor, dass in 20 Jahren 42 Prozent mehr professionelle Pflegekräfte gebraucht würden als bisher.
BARBARA DRIBBUSCH