Eine Runde, die viel Energie verbraucht

Am Montag lädt Merkel zum Energiegipfel. Die Teilnehmerliste macht klar: Atomstrom bleibt weiter auf der Agenda. Umweltschützer und Opposition bezweifeln, dass das Treffen zu einem grundlegenden Strukturwandel führen wird

BERLIN taz ■ So viel Energiepolitik war selten: Bevor am Montag auf Einladung von Kanzlerin Angela Merkel der Energiegipfel der Bundesregierung zusammentritt, bringen sich die Akteure in Stellung. Die Bündnisgrünen aus Nordrhein-Westfahlen fordern ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern. Robin Wood spannt ein Transparent übers Brandenburger Tor: „Kohle killt das Klima“. Der Energiekonzern RWE kontert mit einer Investitionssumme: Für eine Milliarde Euro soll das erste kohlendioxidfreie Kraftwerk gebaut werden. Greenpeace hatte jüngst RWE-Braunkohlebagger im Tagebau Hambach besetzt und den Konzern als „größten Klimakiller Europas“ bezeichnet. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) will mal wieder die AKW-Laufzeiten verlängern.

Das ist der Anlass, der eigentlich zum Energiegipfel geführt hatte: Vergangenen Herbst war zwischen den potenziellen Regierungspartnern ein heftiger Streit über die Atomenergie entbrannt. Die Sozialdemokraten hatten sich schließlich durchgesetzt und im Koalitionsvertrag festgeschrieben: Es bleibt beim rot-grünen Atomausstieg. Doch noch bevor die Tinte unter diesem Vertrag getrocknet war, erklärten Unionsgranden wie Bundeswirtschaftsminister Michael Glos oder Hessens Regierungschef Roland Koch: Deutschland braucht Atomstrom – zum Wohle von Wachstum und Klima.

Mit einiger Mühe konnte Kanzlerin Angela Merkel den Sand aus dem Getriebe entfernen: Sie kreierte den „Energiegipfel im Frühling“. Ein glänzender Schachzug. Allenfalls in der Gesundheitspolitik gibt es derart tiefe Gräben zwischen den Regierungspartnern. Merkels „Gipfel-Idee“ verhinderte, dass der Atomstreit einen Schatten auf den vom Wahlvolk positiv bewerteten Start ihrer Regierungszeit hatte werfen können.

Jetzt aber gilt es. Schon im Vorfeld des montäglichen Gipfels kracht es mächtig im Gebälk. „Die politische Haltung der Bundesregierung ist klar: Wir steigen weiter aus der Kernenergie aus, bauen dafür alternative Energien aus und wollen bessere Technologien bei Kohle und Gas“, erklärt Umweltminister Sigmar Gabriel. Und macht damit deutlich, wie unklar die politische Haltung der Bundesregierung ist. Wirtschaftsminister Glos (CSU) will die AKWs länger laufen lassen, um so „die Erforschung von erneuerbaren Energien zu finanzieren“. Angela Merkel hatte extra als Parole ausgegeben, dieser Gipfel solle sich nicht primär mit Atomstrom befassen. Laut Glos „wird es sich jedoch nicht vermeiden lassen, dass einzelne Teilnehmer das Thema ansprechen“.

Garantiert: Glos nimmt selbst teil. Die Bosse der Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall kommen ins Kanzleramt. Energiegroßabnehmer wie DaimlerChrysler und Siemens sind geladen, der Ölkonzern BP sitzt genauso am Kanzlertisch wie die Chefs von SolarWorld und der Windkraftfirma Enercon. Für die Gewerkschaften ist ausgerechnet Hubertus Schmoldt geladen, ein Atomstromfan. Relativ unabhängigen Sachverstand steuern Klaus Töpfer, die Deutsche Energie-Agentur, Volker Hauff vom Nachhaltigkeitsrat und Edda Müller, Chefin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, bei.

Man sitzt also zu Tisch und diskutiert über Versorgungssicherheit, Klimawandel und Biodiesel? „Noch nicht einmal“, sagt Michael Müller, Staatssekretär im Bundesumweltministerium: „Die geladenen Gäste tauschen Statements aus.“ Von diesem Gipfel Antworten zu erhoffen sei deshalb illusionär. Müller, einer der profiliertesten Energiepolitiker in den Reihen der Sozialdemokraten gegenüber der taz: „Der Gipfel kann nur der Anfang einer ernsthaften Zukunftsdebatte sein.“

Opposition, Verbraucherschützer und Umweltverbände bezweifeln aber, dass dieser Gipfel produktiv ist. Sie beklagen ein massives Übergewicht der Großkonzerne. Die Opposition spricht dem geladenen Personal die Fähigkeit ab, „konsequente Lösungsansätze“ zu finden. Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Bündnisgrünen: „Die Akteure aus den alten Monopolstrukturen haben überhaupt kein Interesse an den gebotenen Strukturveränderungen.“ Gar nicht erst auf der Gästeliste steht Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), obwohl der Verkehrs- und Bausektor für rund 60 Prozent der Treibhausgase in Deutschland steht. Und für 80 Prozent des Energieverbrauchs. NICK REIMER