: Bewährte Praxis wird Gesetz
OBDUKTIONSPFLICHT Die Bremer Senat schreibt die Leichenöffnung bei Kindern unter sechs Jahren vor – wie es die Staatsanwaltschaft bislang auch ohne Gesetz bei allen Fällen anordnet, die ihr gemeldet werden
Ingelore Rosenkötter (SPD), Sozialsenatorin
Bremen führt als erstes Bundesland eine Obduktionspflicht bei Kindern ein, die ohne erkennbare Ursache gestorben sind. Das hat der Senat gestern beschlossen, im Mai debattiert die Bürgerschaft den Gesetzentwurf. Der sei „ein weiterer Baustein für einen umfassenden Kinderschutz“, sagte Sozialsenatorin Ingelore Rosenkötter (SPD).
Misshandlungen und Todesursachen wie Ersticken blieben bei einer äußeren Leichenschau oft unbemerkt. „Wenn ein Kind gewaltsam zu Tode kommt, muss das erkannt werden“, sagte sie, „auch um Geschwister zu schützen“. Als unzumutbare Belastung der Eltern hatten der Deutsche Kinderschutzbund, Trauerbegleiter und die Bremer FDP die Pläne zuvor kritisiert. Innerhalb der rot-grünen Regierung wurde die Entscheidung wegen ethischer Bedenken mehrfach vertagt. Bei der Abstimmung gestern enthielt sich Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne). Ein solcher staatlicher Eingriff in die Grundrechte Dritter sei nicht zu rechtfertigen, zumal die aktuelle Rechtslage „eindeutig und ausreichend“ sei, so Loske.
Bislang entscheiden die Ärzte, ob sie die Staatsanwaltschaft einschalten. Diese ordnet im Verdachtsfall eine Obduktion an. Das sei bislang – ohne gesetzliche Pflicht – „bei 100 Prozent aller gemeldeten Fälle“ geschehen, sagte der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft der taz. 2008 hat es in Bremen 37 Todesfälle bei Kindern bis sechs Jahre gegeben. Bei fünf war die Todesursache laut Rosenkötter nicht zweifelsfrei zu klären.
Künftig soll die Obduktion bei allen Todesfällen von Kindern bis sechs Jahre zur Regel werden. Ausgenommen sind Kinder mit Erkrankungen, Behinderungen, Fehlbildungen oder Unfallopfer. Widerspruch gegen eine Obduktion können Eltern binnen 24 Stunden einlegen. Dann prüft das Amtsgericht in Gesprächen mit Eltern und Ärzten, ob tatsächlich obduziert wird. „Entscheidend ist dabei die Klärung der Todesursache“, erklärte Rosenkötter, „nicht aber mögliche ethische Bedenken.“ THA