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Archiv-Artikel

AMERICAN PIEBis keiner mehr wach ist

Die Rangers verpassen die NHL-Playoffs im Penaltyschießen. Jetzt wird über Glück im Spiel philosophiert

Sie sind raus. Im letzten Spiel der regulären Saison in der National Hockey League haben die New York Rangers mit 1:2 nach Penaltyschießen bei den Philadelphia Flyers verloren. Es war eine entscheidende Niederlage. Die Flyers dürfen nun mitspielen in den Playoffs und treffen heute auf die New Jersey Devils. Die Rangers dagegen sind zum ersten Mal seit vier Jahren nicht dabei, wenn es ernst wird im Kampf um den Stanley Cup.

„So weit sollte es nie kommen“, beklagte sich Rangers-Stürmer Brandon Dobinsky nach dem Spiel, „ein Penalty Shootout so spät in der Saison.“ Er hat eine Gerechtigkeitsdebatte ausgelöst unter den Eishockeyfans in Nordamerika. Die wird immer wieder mal geführt. Denn die Entscheidung eines Spiels durch das Duell Stürmer gegen Goalie war nie besonders populär. Lange gibt es das Penaltyschießen in den USA ohnehin noch nicht. Erst nach dem großen Streik in der Liga 2004/2005 wurden die Spiele nicht mehr so lange verlängert, bis eine Entscheidung durch sudden death gefallen war. Doch zur ganz großen Reform hat man sich seinerzeit auch nicht durchringen können. In den Playoffs gibt es keine Shootouts. Da wird gespielt, so lange bis einer trifft.

Nur so, glauben die Puristen unter den NHL-Fans, kann Geschichte geschrieben werden. Die Liste der legendär langen Spiele führt eine Partie aus dem Jahr 1936 an. Damals entschied ein gewisser Mud Brunetau die Partie der Detroit Red Wings gegen die Montreal Maroons in der sechsten Verlängerung nach 176:30 Minuten für die Autostädter. Die längste Partie der Nach-Streik-Ära lieferten sich 2008 die San Jose Sharks und die Dallas Stars. Da fiel die Entscheidung in der vierten Verlängerung nach insgesamt 129:03 Minuten.

„Wahnsinn!“ Das finden die einen. Andere meine, dass Spiele, die es in die Geschichtsbücher schaffen, ganz schön ermüdend sein können. „Trifft jemand um 2.05 Uhr morgens, wenn wirklich keiner mehr wach ist, kann man das dann gleich einen Klassiker nennen?“, fragt sich etwa Michael Farber, der Eishockey-Kolumnist von Sports Illustrated. Er spricht sich sogar für die Einführung von Shootouts auch in den Playoffs aus. Wenn ein Spiel nach drei 20-minütigen Verlängerungen immer noch keinen Sieger hat, dann solle man in Gottes Namen zum Penaltyschießen bitten. Dann wären 120 Minuten gespielt – so lange dauern normalerweise zwei komplette Partien. Einen radikalen Reformeiferer wird Michael Farber wohl keiner nennen.

Gewinnen soll der, der es verdient hat, das sagen die Gegner des Penaltyschießens immer wieder, nicht das Team, das am Ende eines langen Abends ein bisschen mehr Glück hat. Aber wer hätte den Sieg in der Nacht auf Montag in Philadelphia nun mehr verdient, die Flyers oder die Rangers? Die Flyers, werden die einen sagen, weil die viel kreativer waren: 47 Mal haben sie auf das Tor der New Yorker geschossen, die ihrerseits nur 25 Mal aufs Tor der Gastgeber zielten. Nein, sagen nun die anderen, die Rangers hätten den Sieg verdient, weil ihr Goalie Henrik Lundqvist 46 der 47 Schüsse abgewehrt hat und eine derartige Weltklasseleistung einfach belohnt werden müsse. Von wegen, sagen nun wieder die Ersteren. Von Glück könnten die Rangers sprechen, dass sie es überhaupt in die Verlängerung geschafft haben.

Das kann man so sehen. Im ersten Drittel des Spiels hatten die Flyers einen Puck an die Querlatte geschossen. Von da prallte dieser gegen den Rücken von Goalie Lundqvist, fiel hinter ihm aufs Eis und rollte in Richtung Tor, um kurz vor der Linie noch einmal die Richtung zu wechseln und am Pfosten vorbeizutrudeln. Glück im Spiel gibt es weiß Gott nicht nur im Penaltyschießen.

Und über eines waren sich die Beobachter eh einig nach der Niederlage der Rangers. Dass sich die New Yorker nicht für die Playoffs qualifizieren konnten, lag nicht nur am letzten Penalty im letzten Spiel. Die Rangers haben einfach eine mäßige Saison gespielt. Aber das interessiert jetzt sowieso kaum mehr jemanden. Heute beginnen die Playoffs. ANDREAS RÜTTENAUER