Der neue Schulstreit

AUS BERLIN MAURITIUS MUCH

Nach den Vorfällen an der Rütli-Oberschule in Berlin-Neukölln ist ein genereller Streit über die Integration von jungen MigrantInnen entbrannt. Die CDU/CSU bestimmt dabei den Ton. In der Debatte haben sich zwei Gruppen gebildet.

Zum einen gibt es die Hardliner, die die Vorfälle an der Hauptschule zu einer Generalabrechnung mit der bisherigen Einbürgerungspolitik machen. Zu ihnen gehören Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Ausländischen Familien, die sich nicht integrieren lassen wollten, müssten in einem ersten Schritt soziale Leistungen gekürzt werden, sagte Stoiber der Welt am Sonntag. Wer sich dann immer noch der Integration verschließe, „muss unser Land wieder verlassen“. Schönbohm forderte in der B.Z., „kriminelle Schüler von der Schule zu verweisen und sie dann für ein paar Tage in einem Erziehungsheim oder auch in einem Jugendgefängnis unter Arrest zu stellen“.

Die zweite Gruppe, die Pragmatiker, führt CDU-Fraktionschef Volker Kauder an. Er erklärte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zwar, dass man sich von „multikultureller Straßenfestromantik“ verabschieden müsse. Allerdings fordert er keine Abschiebungen oder Verhaftungen, sondern setzt sich für einen nationalen Aktionsplan für Integration ein, den Bund, Länder, Kommunen und gesellschaftlich relevante Gruppen entwickeln sollten. Dabei müsse die Zahl derjenigen, die ohne ausreichende Deutschkenntnis eingeschult würden, müsse stark gesenkt werden. Zudem sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass mehr ausländische Schüler überhaupt einen Schulabschluss sowie die Fachhochschul- und Hochschulreife erreichen könnten.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) schlägt in der Financial Times Deutschland vor, ein Netzwerk für Problemschulen wie die Rütli-Oberschule einzurichten. „Wir brauchen künftig an solchen Brennpunktschulen ein Bündnis für Integration – ein Netzwerk, das intensiv aggressive und orientierungslose Jugendliche begleitet.“ Sozial- und Jugendarbeiter sollen direkt an den Schulen arbeiten. Für die Rütli-Oberschule hatte Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) ohnehin angekündigt, dort ab heute zwei Sozialpädagogen anzustellen. Damit allein könne man aber die Krise der Hauptschule nicht lösen, sagte Jens Großpietsch, Rektor der Berliner Heinrich-von-Stephan-Schule im Interview mit der taz (siehe Seite 3).

Einen anderen Weg als Kauder und Schavan will Franz Müntefering (SPD) einschlagen. Der Arbeits- und Sozialminister tritt dafür ein, dass Eltern und Schüler später als bisher entscheiden können, welche Schule ein Kind nach der Grundschule besuchen soll. Ein Teil der Kinder dürfte nicht schon nach vier Schuljahren aussortiert werden, sagte Müntefering auf einem Parteitag der nordrhein-westfälischen SPD am Samstag in Bochum. Nach so kurzer Zeit könne nicht beurteilt werden, ob der Nachwuchs für die Haupt-, die Realschule oder das Gymnasium geeignet sei. Hier böte das Konzept von Gesamtschulen eine Chance, sagte Müntefering.

Dagegen will Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) Eltern von jungen MigrantInnen stärker in die Pflicht nehmen. Sie sollten Elternbildungskurse in Volkshochschulen oder Kirchen besuchen, sagte Oettinger dem Focus. Dadurch müssten die Eltern für ihre Kinder wieder mehr Verantwortung übernehmen – und sie nicht auf die Schulen abwälzen.