: Schneller Aufstieg, rasanter Fall
KARRIEREKNICK Ab Freitag wird im Scheinehe-Verfahren auch über die politische Zukunft des einstigen SPD-Hoffnungsträgers Bülent Ciftlik entschieden. Beschädigt ist sie auf jeden Fall
VON MARCO CARINI
Bülent Ciftlik schweigt. Kein Wort mehr, das falsch interpretiert, kein Nebensatz, der gegen ihn verwendet werden könnte. Alles werde er widerlegen, das hat er gesagt, schon vor Wochen. Widerlegen, dass er eine Scheinehe zwischen seiner Bekannten Nicole D. und dem Türken Kenan T. geschmiedet hat, eine Ehe, die laut Staatsanwaltschaft nur geschlossen wurde, um T. einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu sichern. Seit über einem Jahr wird gegen Ciftlik deswegen ermittelt, am morgigen Freitag nun beginnt der Prozess gegen ihn und die beiden Eheleute vor dem Amtsgericht St. Georg.
In dem Verfahren kämpft der 37-jährige Deutschtürke um seine politische Karriere, will retten, was nicht mehr zu retten scheint. Noch 2007 galt Ciftlik als Hoffnungsträger der Hamburger SPD. Parteisprecher, Neuabgeordneter der Bürgerschaft, von den Medien hofiert und zum „Obama von Altona“ und „Mann zum Niederknien“ (Brigitte) verklärt. In einem beispiellosen Wahlkampf hatte er dem SPD-Urgestein Walter Zuckerer das Bürgerschaftsmandat weggeschnappt, eine Karriere auf der Überholspur begonnen. Das ein solcher Aufstieg Neider schafft, sollte Ciftlik bald erfahren.
Zwei Jahre später ist Ciftlik ganz unten angekommen. Äußerlich von schlaflosen Nächten gezeichnet, ist er als SPD-Sprecher ausgeschieden und auch sein Mandat ruht. Zu groß war der parteiinterne Druck.
Zuerst geriet er – auch ohne belastbare Indizien – in den Verdacht, am Stimmzettelklau beteiligt gewesen zu sein, der den früheren SPD-Chef Mathias Petersen um die Bürgermeister-Kandidatur brachte. Dann durchsuchten Ermittler seine Wohnung, weil er die vermeintliche Scheinehe gekuppelt haben soll. Schließlich geriet er unter Verdacht, Polizeivermerke gefälscht zu haben, um zwei Genossen anzuschwärzen. Und zu schlechter Letzt verschwanden noch Wahlzettel einer SPD-Distriktswahl spurlos aus seinem Kofferraum, als erneut seine Wohnung und sein Wagen durchsucht wurden – diesmal wegen der gefälschten Urkunden.
Und jedes Mal standen im Hintergrund SPD-Genossen parat, die die Medien gegen den einstigen Parteiaufsteiger munitionierten. Denn auch wenn keiner der erhobenen Vorwürfe bislang belegt wurde, bestätigte sich die Binsenweisheit: Irgendwas bleibt immer hängen. Selbst Ciftliks politischer Ziehvater, Hamburgs SPD-Chef Olaf Scholz, sah sich genötigt, schrittweise zu seinem einstigen Zögling auf Distanz zu gehen, um Schaden von der Partei abzuwenden. Mit jeder Negativ-Schlagzeile wurde es einsamer um die einstige Lichtgestalt in der Hamburger Politik-Tristesse.
Inzwischen kämpft Ciftlik seinen Kampf gegen die Mühlen der Justiz und die Heckenschützen aus der eigenen Partei ziemlich einsam. Selbst seine ehemaligen Fürsprecher können kaum noch glauben, dass es sich bei allen Ermittlungen, die gegen den Sohn türkischer Einwanderer laufen, nur eine besonders ausgeprägte Pechsträhne handelt. Besonders die Springer-Blätter haben ihr Urteil bereits gefällt – manch in dem Verlagshaus angestellter Journalist spricht hinter vorgehaltener Hand „von einer Kampagne“ seines Arbeitgebers gegen den ins Straucheln geratenen Politiker.
Für Ciftlik geht es deshalb ab Freitag nur um Schadensbegrenzung. Selbst wenn er das Scheinehe-Verfahren gewinnen und den Verleumdungsvorwurf um die gefälschten Vermerke entkräften kann, ist er als Politiker für Jahre verbrannt. Das wissen Ciftliks innerparteiliche Feinde, die sich dem Ziel nahe wähnen. Und das weiß auch Ciftlik selbst.