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Archiv-Artikel

Der Stoff wird nur exportiert

Peking und Canberra einigen sich: Das energiehungrige China kann viel Uran aus Australien importieren – der Fünfte Kontinent selbst nutzt die Atomkraft nicht. Dabei verfügt er über 30 Prozent der weltweiten Uranreserven

AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN

Australien profitiert – und China. Chinas Premier Wen Jiabao und der australische Ministerpräsident John Howard unterzeichneten gestern in Canberra ein Abkommen, das den Weg öffnet für den Export von australischem Uran in das energiehungrige Wachstumsland China. Laut Berichten will China pro Jahr rund 20.000 Tonnen des nuklearen Brennstoffs importieren, um den Bedarf seiner rapide expandierenden Atomenergieindustrie decken zu können. Australien, das über rund 30 Prozent der weltweit bekannten Uranreserven verfügt, fördert bisher in drei Minen weniger als die Hälfte dieser Menge und exportiert das Material in verschiedene westliche Länder.

Trotz der jüngsten Entwicklung dürfte es jedoch noch einige Zeit dauern, bis die ersten gelben Fässer nach Peking verschifft werden. Denn es fehlt an Kapazität. Ein vor Jahrzehnten unter der damaligen sozialdemokratischen Labor-Regierung beschlossenes Prinzip, die Zahl der Uranminen landesweit auf drei zu beschränken, hat die Entwicklung der Industrie gehemmt. Noch immer sind die von Labor kontrollierten Regierungen einiger Bundesländer gegen einen Ausbau der Uranförderung. Doch der Widerstand gegen die „Dreiminenpolitik“ wird in der Labor-Partei zunehmend schwächer. Der zuständige Schattenminister Martin Ferguson hat sich schon vor längerer Zeit für ihre Abschaffung ausgesprochen. Premierminister John Howard meinte, er werde gegebenenfalls über die Köpfe der Regierungen der Bundesländer hinweg entscheiden, um neue Uranminen bewilligen zu können. Australien selbst hat kein Atomkraftwerk.

Der Preis für den nuklearen Brennstoff ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen und liegt zurzeit bei etwa 40 US-Dollar pro Pfund. Ein Auftrag aus China dürfte für die australischen Hersteller im Verlauf der nächsten Jahre Dutzende von Milliarden Dollar wert sein. Die Wirtschaft reagierte auf die Unterzeichnung entsprechend positiv. Dagegen kritisierten Umweltschutz- und Menschenrechtskreise den Vertrag heftig. Professor Ian Lowe von der Umweltorganisation Australian Conservation Foundation warf Canberra vor, „blind dem Dollar zu folgen“. Die grüne Abgeordnete Christine Milne beschuldigte Canberra, mit einer „totalitären Diktatur“ Geschäfte zu machen. Es sei nicht garantiert, dass australisches Uran nicht „entweder direkt oder indirekt zur Unterstützung des chinesischen Atomwaffenprogramms dienen wird“. Selbst Canberra-nahe Kommentatoren fürchten, dass sich ein Plan Pekings, künftig direkt in australische Minen zu investieren, negativ auf die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit Australiens auswirken könnte. Schon heute ist China einer der wichtigsten Handelspartner Australiens und bedeutendster Abnehmer von Rohstoffen wie Eisenerz, Kohle und Gas.

Die Aktien mehrerer australischer Firmen, die entweder bereits Uran fördern oder entsprechende Lizenzgebiete kontrollieren, stiegen gestern deutlich an. Einer der Gewinner ist der globale Bergbaukonzern BHP Billiton, der in der südaustralischen Mine Olympic Dam über das größte einzelne Urandepot auf dem Globus wacht. Baut die Firma wie geplant ihre Förderkapazität aus und steigen andere Unternehmen in die Produktion von Uran ein, dürfte sich China zum wichtigsten Abnehmer des nuklearen Brennstoffs entwickeln: Das Land will die Zahl seiner Kernreaktoren innerhalb von 14 Jahren von heute 9 auf 40 erhöhen. Auch Rio Tinto, ebenfalls ein globaler Rohstoffgigant mit australischen Wurzeln, sollte von der Entwicklung profitieren. Der britisch-australische Ressourcenkonzern kontrolliert zu 70 Prozent Energy Resources of Australia (ERA), den im Gebiet des Kakadu-Nationalparks in Nordaustralien tätigen, drittgrößten Uranförderer der Welt.

Dass die Nachfrage nach Uran in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird, ist kaum umstritten. Die Zahl der weltweit vorhandenen Atomkraftwerke, schätzt man, könnte innerhalb der nächsten Jahre von zurzeit etwa 440 auf über 700 steigen. Laut World Nuclear Association soll der globale Urankonsum von derzeit jährlich 65.000 Tonnen auf 160.000 Tonnen im Jahr 2030 steigen. Wie andere Staaten sieht auch China Kernenergie als eine „saubere“ Form der Stromerzeugung.

Australien dagegen setzt bei der Stromgewinnung auf die besonders umweltschädliche Verbrennung von Kohle. Gemeinsam mit dem Verbündeten USA hat Australien das Kioto-Protokoll nicht unterzeichnet. Stattdessen riefen Canberra und Washington im Januar ein alternatives Forum ins Leben, die Konferenz der AP-6-Staaten, die „Asiatisch-Pazifische Partnerschaft für saubere Entwicklung und Klima“.

Deren Richtung ist klar: Bei dieser Sitzung wurde Atomkraft von Vertretern der Industrie als umweltfreundliche Ergänzung zur traditionellen, auf Kohle basierenden Form der Energieerzeugung präsentiert.