piwik no script img

Archiv-Artikel

Ein kleines Schanzenfest

PROTEST Unangemeldetes Mini-Straßenfest gegen Gentrifizierung und Gefahrengebiete. Leer stehendes Haus Juliustraße konnte besichtigt werden

Von den Wohnungsbesichtungen ist rege Gebrauch gemacht worden

Es gab in diesem Jahr doch noch ein Schanzenfest – wenn auch kleiner, aber politischer. Mit einem unangemeldeten Flohmarkt gaben Anwohner am Samstag den Startschuss für den Aktionstag gegen Gentrifizierung und Gefahrengebiete mit mehreren hundert Teilnehmern. Im Verlauf des Straßenfestes luden Aktivisten zur Besichtigung des leer stehenden Hauses Juliusstraße 40 ein.

Ein Transparent „Besitzstand – Besichtigung hier“ am Balkon des dritten Stocks machte deutlich, dass es inmitten der hippen Schanze Wohnungsleerstand gibt. Der Besitzer der Hauses, Ernst-August Landschulze, lässt das Gebäude seit Jahren – bis auf eine Mieterin, die sich gegen die Räumungsklagen wehrt – leer stehen. Und das, obwohl er sogar 2006 die zweite Hälfte des Hauses, die im 2. Weltkrieg zerbombt worden ist, historisch getreu und aufwendig wieder aufbauen ließ. Die zusammengelegten Einheiten möchte er etagenweise als Luxuswohnungen verkaufen.

Von den Wohnungsbesichtigungen wurde rege Gebrauch gemacht, bis zwei Polizisten dem Treiben ein jähes Ende setzten. Als der Sohn der letzten Mieter die Treppenhaus-Tür aufschließen wollte, um seinen Flohmarkt-Stand ins Haus zu tragen, schlugen ihm die Polizisten vor lauter Eifer die Tür an den Kopf, sodass er benommen versorgt werden musste, was Proteste auslöste. Bereitschaftspolizisten rückten an, mussten aber erkennen, dass weder ein Hausfriedensbruch vorlag noch sie der Mieterin verbieten konnten, Gäste zu empfangen. Die Polizei zog ab und ließ zwei Beamte zurück, die auf das Eintreffen eines Tischlers und der Security von Landschulze warteten.

Zweiter Schwerpunkt des Festes war der Protest gegen das Gefahrengebiet Schanze. Die Polizei hat zum 1. Juni das Quartier als Gefahrengebiet erklärt, um laut eigenen Aussagen die Drogen-Dealerei zu bekämpfen. Danach sind Polizisten zu verdachtsunabhängigen Personenkontrollen und zur Kontrolle von mitgeführten Taschen berechtigt. „Das ist eine Frechheit, die Anwohner der Schanze sind der Willkür der Polizei ausgesetzt“, sagte ein Redner.

Ursprünglich war das Schanzenfest abgesagt worden. Denn das vor 25 Jahren gegen Umstrukturierung und Yuppiesierung ins Leben gerufene Stadtteilfest war zuletzt von Krawalltouristen und erlebnisorientiertem Partyvolk missbraucht worden, um Randale zu initiieren. Im vorigen Jahr waren dabei zwei Aktivisten, die ein Feuer an der Roten Flora löschen wollten, niedergestochen worden. Zuletzt herrschte jedoch eine Stimmung, sich das Feiern nicht ganz vermiesen zu lassen. KAI VON APPEN