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Archiv-Artikel

Kampfstarke linke Lehrer-gewerkschaft trotzt Regierung

MEXIKO Zum Nationalfeiertag räumt die Polizei die streikenden LehrerInnen ab. Der Protest hält an

Viele Lehrer kommen aus den armen Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas und Guerrero

VON WOLF DIETER VOGEL

BERLIN taz | „Wasser marsch!“ für einen reibungslosen Nationalfeiertag: Mit Panzerfahrzeugen, Tränengas und Wasserwerfern räumte die Polizei am Freitag einen von Lehrerinnen und Lehrern besetzten Platz in Mexiko-Stadt, damit dort am Sonntag die alljährliche Feier zur Unabhängigkeit des Landes zelebriert werden konnte. Mehrere tausend Mitglieder der Lehrergewerkschaft CNTE hatten sich drei Wochen lang in einem Zeltlager niedergelassen, um gegen eine Bildungsreform der Regierung zu protestieren. Ein großer Teil der CNTE-Aktivisten räumte das Camp freiwillig, als die Polizei anrückte. Mehrere hundert lieferten sich jedoch Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens 29 Besetzer wurden verletzt, von den 29 Festgenommenen waren die meisten am Sonntag wieder auf freiem Fuß.

Die CNTE kündigte an, man werde den Platz am Mittwoch gemeinsam mit sozialen Organisationen und anderen Gewerkschaften zurückerobern. Zudem rufen die Pädagogen für den Donnerstag zu einem Generalstreik auf. In den letzten Wochen hatten sie mit Straßenblockaden auf sich aufmerksam gemacht, mehrere Stunden lang legten sie sogar den internationalen Flughafen lahm.

Viele der Lehrer sind aus den armen Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas und Guerrero angereist, um an den Aktionen teilzunehmen. Ihr Widerstand richtet sich in erster Linie gegen die Bildungsreform, die letzte Woche in Kraft getreten ist. Diese sieht vor, dass sich die Pädagogen einer regelmäßigen Prüfung unterziehen müssen. Die CNTE stellt sich zwar nicht grundsätzlich gegen eine Evaluierung, die Reform sehe aber nur zwei generelle Kriterien zur Prüfung vor: das Wissen der Lehrer und die Lernerfolge ihrer Schüler. In Oaxaca gebe es Gegenden, in denen extreme Armut herrsche, beschreibt der Pädagoge Jesús García. „Wie sollen wir einen Schüler, der unter Unterernährung leidet, mit einem Schüler vergleichen, der in sehr gut entwickelten sozialen Verhältnissen lebt?“, will der Lehrer wissen.

Die CNTE ist eine kampfstarke, links positionierte Organisation. Sie spielte zum Beispiel bei einem halbjährigen Aufstand im Jahr 2006 in Oaxaca gegen den Gouverneur Ulises Ruiz eine zentrale Rolle. In den letzten Wochen haben die Demonstranten aber immer lautstark weitere Forderungen zum Ausdruck gebracht: keine Privatisierung der staatlichen Erdölindustrie, keine Mehrwertsteuererhöhung für Arznei- und Lebensmittel und nicht zuletzt die Einleitung eines Verfahrens gegen Ruiz wegen seines brutalen Vorgehens gegen die Demonstranten bei dem Aufstand in Oaxaca.