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Archiv-Artikel

Rotwein-Einlauf im Sadomaso-Seminar

In „24/7 The Passion of Life“ scheitern die Filmemacher mit viel unfreiwilliger Komik an der Lust

Sex und Pathos sind keine gute Bettgesellen, denn beide wirken schnell unfreiwillig komisch und verstärken beieinander diese Reaktion noch. In diese Falle stürzten sich Arsch über Brust die Macher von “24/7 The Passion of Life“ , gerade weil sie ihr Herzblut und diverse anderen Körpersäfte in diesen Film haben fließen lassen.

Wie eine verschworene Gemeinschaft drehten sie diese „provokant-poetische Reise durch das Reich der Sexualität“ (so der Pressetext). Der Regisseur Roland Reber stand auch hinter der Kamera, eine der Hauptdarstellerin schrieb das Drehbuch und machte den Schnitt, die andere produzierte den Film, der natürlich ohne jede Förderung fertiggestellt wurde, im Februar nach dem Kinostart sang- und klanglos unterging und nun noch einmal von den Filmemachern in einzelnen Kinos (bei uns in Hannover und Bremen) vorgestellt wird.

Das Hohelied der sexuellen Befreiung sollte hier gesungen werden, und die Filmemacher bemühten sich peinlichst, dabei nicht etwa in die Pornographie abzurutschen. Die gezeigten Schamhaare kann man zählen, und statt die Schaulust des Publikums zu befriedigen, wurden sexuelle Rollenspiele mit einer irritierenden, fast klinischen Distanz gezeigt. Ein Mann, der eine Schweinsmaske trägt, als „Gummisau“ beschimpft wird und nur grunzen darf, ein anderer, der mit einer Dornenkrone den Kreuzweg Christi nachspielt und ein Dritter, der versucht, sich mit Kleid, Schürze, weißer Haube und devoter Haltung in eine Putzsklavin zu verwandeln - sie alle stellen ihre Gelüste ziemlich lustlos aus und wirken dabei nicht „provokant-poetisch“ sondern eher „peinlich-prosaisch“, denn die Laiendarsteller sind durch diese Rollen von Menschen, die Rollen spielen, heillos überfordert, und der Filmemacher findet auch keine Bilder, die diese Welt für die Zuschauer interessant machen würden.

Gedreht wurde in einem Domina-Studio, einem Swinger-Club und einer Strip-Bar (eines dieser Etablissements verkündet auch ganz stolz auf seiner Homepage, dass die Stammgäste mitspielen durften), und deren immer leicht klebrige Atmosphäre mit Schummerlicht und dickbäuchigen Freiern bestimmt die Stimmung des ganzen Films. Aber auf die Heldin wirkt der ausgebaute Keller der Domina „so friedlich wie eine Landschaft nach dem Gewitter“. Die Hotelerbin Eva trifft zufällig auf die in Leder gewandete Magdalene, die von ihren Kunden Lady Maria genannt wird und sich von ihnen die Stiefel lecken lässt oder ihnen Rotwein-Einläufe verabreicht. Mira Gittner bemüht sich sehr, die Maria wie souverän herrschende Lustgöttin auftreten zu lassen, aber leider fehlt ihr die dazu nötige erotische Ausstrahlung, und wenn sie ekstatisch mit der ausgestreckten Zunge wackelt, wirkt dies nicht verrucht, sondern nur lächerlich.

Die blonde und immer ein wenig abwesend wirkende Eva ist die Novizin, die auf eine „Odyssee durch die Welt der Sexualität“ geschickt wird, und weil Lady Maria nebenbei auch noch „Soziologin und Mythenforscherin“ist, hält sie ständig pseudo-philosophische Vorträge, die offensichtlich dem Weltbild des Filmemachers entsprechen. Kalendersprüche wie „Viele sind nur Gelebte, keine Lebenden. Lebe dich!“ werden hier wie tiefe philosophische Weisheiten verkündet und die Dialogsätze sind so mit hochphilosophischen Botschaften beladen, dass man im ganzen Film kaum ein natürliches Wort hört. Aber das hätte man ja schon bei dem prätentiösen Filmtitel ahnen können. Der bezieht sich übrigens auf die vierundzwanzig Stunden, die die Menschen sieben Tage in der Woche „in ihrer eigenen Hölle leben“, und ist frech bei dem britischen Spielfilm „TwentyFourSeven“ geklaut. Wilfried Hippen