: Bürger auf die Straße
Die Reform der Volksbegehren nimmt weiter Form an. Unterschriften dürfen künftig frei gesammelt werden
Bei der Reform der Volksbegehren haben sich die Parteien auf einen wichtigen Punkt geeinigt. Künftig dürfen die Initiatoren die nötigen Unterschriften frei sammeln. Bisher schreibt die Verfassung vor, dass die Unterschriftenlisten in Ämtern ausliegen. „Das ist ein großer Schritt nach vorn. Wer unterschreiben will, hat in Zukunft die Wahl“, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann gestern.
Um unter freiem Himmel unterschreiben zu können, müssen die Bürger aber ihren Personalausweis dabeihaben – die Ausweisnummer wird in die Listen eingetragen. So soll Missbrauch ausgeschlossen werden. Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie hält das für Unsinn: „Die Unterzeichner geben doch den vollen Namen, die Adresse und das Geburtsdatum an – dies alles wird hinterher sowieso geprüft.“
Die Fraktionen verhandeln derzeit über eine Verfassungsänderung, mit der die direkte Beteiligung der BerlinerInnen an der Landespolitik vereinfacht wird (taz berichtete). Damit ein Volksbegehren zustande kommt, müssen es derzeit 10 Prozent der Wahlberechtigten innerhalb von zwei Monaten mit ihrer Unterschrift unterstützen. Das Quorum soll auf 7 Prozent gesenkt werden. Auch in anderen Details sind sich die Fraktionen einig: Ist das Begehren zustande gekommen, müssen sich bislang im darauf folgenden Volksentscheid 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen, oder ein Drittel muss der Vorlage zustimmen. Künftig gilt ein simples Zustimmungsquorum: Nur noch 25 Prozent müssen dafür sein.
Sind bisher Themen ausgeschlossen, die den Haushalt betreffen, ist bald nur noch das Haushaltsgesetz tabu. Auch ist es künftig möglich, die Verfassung per Volksbegehren zu ändern. Allerdings haben SPD und CDU hier getrickst. Sie haben so hohe Hürden durchgesetzt, dass sie unüberwindbar sind. Dem Vernehmen nach steckt dahinter vor allem die Sorge, die Bürger könnten sich selbstständig machen – indem sie per Verfassungsänderung noch mächtigere Volksbegehren einführen.
ULRICH SCHULTE