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Archiv-Artikel

Erfolge an der Volksfront

Vorstellung des Verfassungsschutzberichts zeigt: Die NPD rekrutiert mehr Mitglieder, Trotzkisten strömen in die WASG, und der Innensenator kennt das Wetter am 1. Mai

Die Zahl rechtsradikaler Straftaten ist in Berlin im vergangenen Jahr um knapp 60 Prozent gestiegen. Dies erklärte gestern Innensenator Ehrhart Körting (SPD) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2005. Dabei handele es sich in erster Linie um Propagandadelikte wie Hakenkreuzschmierereien. Gestiegen ist auch die Zahl parteipolitisch organisierter Rechtsextremisten. Nach dem jahrelangen Mitgliederschwund verzeichnete die NPD letztes Jahr einen deutlich stärkeren Zulauf. Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid wertete das als Erfolg der NPD-„Volksfrontstrategie“. DVU und Republikaner blieben unter Nazis aber weiter unbeliebt.

Insgesamt ist die Zahl der Rechtsradikalen von 2.435 (2004) auf 2.400 (2005) minimal gesunken. Ein schwacher Trost angesichts des „regen Zulaufs“, den die Verfassungsschützer unter den so genannten autonomen Aktionsgemeinschaften ausmachen. Diese Neonazigruppen, oft entstanden aus Resten verbotener Kameradschaften, geben sich nach außen harmlos und hip und ködern so Jugendliche, denen Heimatabende zu spießig und Skinheads zu roh sind. Laut Verfassungsschutz haben diese Gruppen rund 100 Mitglieder.

Auch im Bereich Islamismus gab Körting keinesfalls Entwarnung. 1,1 Prozent oder 5.060 der in Berlin lebenden Ausländer werden vom Verfassungsschutz als extremistisch eingestuft. Zwei Drittel davon sind islamistisch. Als „gewaltorientiert“ gelten 270 der Islamisten; von ihnen geht laut Körting eine große terroristische Gefahr aus.

Die größte Gruppe unter den linksextremistischen Ausländerorganisationen bilden erneut die Kurden mit 1.050 Personen. „Es ist nicht auszuschließen, dass sich die gewalttätigen Kurden-Proteste in der Türkei auch auf Berlin niederschlagen werden“, sagte Claudia Schmid mit Blick auf die jüngsten Ausschreitungen in Kreuzberg (taz berichtete). Ihr Chef bemühte sich aber umgehend um Optimismus: „Türken und Kurden leben in Berlin friedlich Tür an Tür“, so Körting.

Wie bereits im Vorjahr hat sich das „linksextremistische Personenpotenzial“ mit rund 2.330 Personen (2004: 2.375) nur unwesentlich verringert. Die Zahl der Straftaten in dieser Szene ist um 7 Prozent gestiegen, wobei es sich hauptsächlich um Sachbeschädigungen oder Verstöße gegen das Versammlungsgesetzt handelt. Die linksextremen Gewalttaten haben dagegen um 26 Prozent stark abgenommen, was laut Claudia Schmid vor allem am „weitgehend friedlichen 1. Mai 2005“ lag. Eine Prognose über den diesjährigen 1. Mai mochte weder Körting noch Schmid abgeben. „Wir haben nur Erkenntnisse über die Wetterlage am 1. Mai“, so Körting.

Mittlerweile hat auch der Verfassungsschutz bemerkt, dass die WASG von trotzkistischen Gruppen unterwandert wird. Im Fokus der Behörde sind dabei der „Linksruck“ und die Sozialistische Alternative Voran (SAV), deren Mitglied Lucy Redler im Landesvorstand der Berliner WASG sitzt. Verfassungsschutz-Sprecher Claus Guggenberger erklärte, die WASG selbst stehe aber nicht unter Beobachtung.

Torsten Gellner