: Migranten rennen der Polizei die Tür ein
Fast 1.400 junge Migranten wollen einen Ausbildungsplatz bei der Polizei bekommen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte gehofft, wenigstens 30 geeignete Bewerber zu finden. Die Grünen begrüßen den Mentalitätswandel beider Seiten
von Otto Diederichs
Die Polizei bekommt ein Integrationsproblem. Zwar sollen im Herbst erstmals nach vier Jahren wieder neue Auszubildende eingestellt werden. Doch um die 300 Plätze haben sich bisher schon 10.350 junge Menschen beworben. Darunter 1.362 mit so genanntem Migrationshintergrund. Um sie war verstärkt geworben worden.
„10 Prozent aller Auszubildenden im Polizeidienst sollen künftig Migranten sein“, hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Sommer letzten Jahres erklärt. Insbesondere Türkisch, Arabisch und Serbokroatisch sprechende Jugendliche hatte der Senator dabei im Blick. Der Gedanke war nicht neu. Als erstes Bundesland hatte Berlin seine Polizei bereits 1988 grundsätzlich auch für nichtdeutsche Bewerber geöffnet. Doch die waren skeptisch. Lediglich 36 junge Männer und Frauen ausländischer Herkunft traten bis 1993 eine Ausbildung bei der Berliner Polizei an. Rund die Hälfte schloss sie allerdings nicht ab. Mit über 50 Prozent lag die Abbrecherquote damals mehr als doppelt so hoch wie bei den deutschen Azubis. Diese Situation scheint sich nun gründlich geändert zu haben. „Wir haben ja eine große Plakat- und Anzeigenaktion gemacht und immer wieder auf unser Interesse hingewiesen“, sagt Polizeisprecher Uwe Kozelnik.
Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) hatte im Oktober 2005 eigens ein spezielles Vorbereitungstraining gestartet, mit dem die Jugendlichen durch vertiefende Kenntnisse in Deutsch, Mathematik, Türkisch und EDV für die Einstellungsprüfungen fit gemacht werden sollten. In der Öffentlichkeit war zeitweilig sogar von einem „Migrantenbonus“ die Rede, nachdem Körting angeregt hatte, sprachliche Mängel könnten eventuell übergangsweise durch muttersprachliches Können ausgeglichen werden. Die Trainings des TBB scheinen gar nicht nötig gewesen zu sein.
Zum Glück für die Polizei erfüllen etliche der zehntausend Bewerber bereits die Grundvoraussetzungen nicht, denn für den Polizeiberuf ist bei Männern und Frauen eine Mindestgröße vorgeschrieben. Für eine Laufbahn im mittleren Dienst der uniformierten Schutzpolizei ist der Realschulabschluss nötig, ein Studium für den gehobenen Dienst bei Schupo und Kripo setzt Abitur voraus. Insgesamt 4.367 BewerberInnen wurden mangels dieser Voraussetzungen gleich als ungeeignet ausgesiebt. Von den knapp 6.000 Verbliebenen, die nun einem Gesundheitscheck unterzogen werden, die diverse Sportprüfungen absolvieren und ausreichende Deutschkenntnisse in Wort und Schrift nachweisen müssen, sind immerhin noch 627 nichtdeutsche Bewerber, darunter 257 Abiturienten.
Die müssen sich nicht um die von Körting vorgegebenen 30 Ausbildungsplätze prügeln. „Bei der Polizei gibt es keine feste Quote“, sagt Uwe Kozelnik. „Es gilt bis zum Schluss die Bestenauslese, wie immer es dann auch ausgeht.“
Beim Senatsbeauftragten für Integrationsfragen, Günter Piening, freut man sich über das neue Interesse der Jugendlichen. „Die Integration ist endlich dort angekommen“, heißt es aus seinem Hause.
Auch der grüne Abgeordnete Özcan Mutlu begrüßt den neuen Run auf den Polizeidienst ausdrücklich. Die öffentlichen Erklärungen von Innensenator Körting und Polizeipräsident Dieter Glietsch sowie die „medienwirksame Diskussion in türkischen Zeitungen“ hätten das Klima verändert und einen „Aha-Effekt“ erzeugt. „Hey, wir dürfen das sogar und sind willkommen. Ich wage es jetzt mal“, heiße es jetzt unter jungen Migranten. Probleme mit den Eltern und Freunden sowie der Staatsbürgerschaftswechsel bei der Verbeamtung, mit denen frühere Studien die Abstinenz vom Polizeidienst erklärt haben, würden nicht mehr als Hindernisse gelten, so Mutlu.
BewerberInnen, die in diesem Herbst leer ausgehen, müssen die Hoffnung nicht aufgeben, einst Streife vor Neuköllner Problemschulen laufen zu dürfen. In den Jahren 2007 und 2008 will die Polizei erneut Azubis einstellen – dann sogar 400 pro Jahr.