: Scheiden tut nicht mehr so weh
Das Bundeskabinett beschließt eine Reform des Unterhaltsrechts. Wer nur ein paar Jahre verheiratet war, soll künftig lediglich befristet für den Expartner aufkommen müssen. Reicht das Geld nicht für alle, wird zunächst an die Kinder Unterhalt gezahlt
VON CHRISTIAN RATH
Diese Reform stellt Ministerin Brigitte Zypries (SPD) immer wieder gerne vor: Kinder sollen Vorrang im Unterhaltsrecht bekommen. Die Zweitfamilie eines Geschiedenen soll bessere Startchancen erhalten. Gestriger Anlass für Zypries’ – inzwischen dritte – Präsentation: Das Kabinett hat jetzt den Gesetzentwurf beschlossen. Im April 2007 soll die Neuregelung in Kraft treten.
Doch während die Reform bisher als rot-grünes Projekt daherkam, muss jetzt die große Koalition dafür geradestehen. Und da hört man in den Reihen der CDU/CSU deutliches Knirschen. Der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU, Johannes Singhammer, sagte dieser Tage, die Union sei dagegen, dass die Ehefrau gegenüber späteren nichtehelichen Partnerschaften zurückstehen müsse.
Der erste Punkt der Neuregelung – Kinder sollen im Unterhalt Vorrang bekommen – ist wohl unumstritten. Relevant ist dies, wenn der Unterhaltspflichtige, meist der Vater, nicht genug verdient, um alle Ansprüche zu erfüllen. Bisher bekamen in solchen „Mangelfällen“ alle nur einen Teil des Unterhalts. Für den Rest musste die Sozialhilfe aufkommen. Künftig sollen zunächst die Ansprüche der Kinder erfüllt werden, bevor Erwachsene zum Zuge kommen.
Das hat zunächst psychologische Gründe. Ende 2004 waren 1,12 Millionen Minderjährige von staatlichen Transferleistungen abhängig. Die Zahl könnte deutlich sinken. Das ist nicht nur gut für das Selbstbewusstsein der Kinder, sondern schönt auch die staatliche Statistik. Für die Sozialbehörden bleibt es ein Nullsummenspiel. Was bei den Kinder gespart wird, müssen sie dem betreuenden Elternteil mehr bezahlen. Allenfalls ist zu hoffen, dass die Zahlungsbereitschaft von Unterhaltspflichtigen gegenüber ihren Kindern höher ist als gegenüber den Exgatten.
Dem Kindeswohl soll auch eine Änderung der Rangfolge bei den Erwachsenen dienen. Bisher war der erste Ehegatte gegenüber dem zweiten privilegiert, ebenso ein (Ex-)Ehegatte gegenüber einem nichtehelichen Elternteil. Künftig gibt es drei Rangstufen: Den ersten Rang nehmen die Kinder ein. Dann folgen die Elternteile, die ganz oder teilweise zu Hause bleiben, weil sie, egal ob verheiratet oder nicht, ein Kind zu betreuen haben. Ebenfalls an zweiter Stelle kommen Exgatten, die keine Kinder zu betreuen haben, aber auf eine lange Ehe zurückblicken. Auf dem dritten Rang folgen Exgatten, die keine Kinder zu betreuen haben und nur kurz verheiratet waren.
Im Ergebnis kann es also vorkommen, dass die nichteheliche Mutter eines Babys Vorrang vor einer kinderlosen Gattin mit nur dreijähriger Ehezeit hat. Darin ist aber, anders als CSU-Mann Singhammer vermutet, keine Missachtung der Ehe zu sehen, sondern es ist die logische Folge einer Orientierung am Kindeswohl. Der Unterhalt der nichtehelichen Mutter rührt ja nur daher, dass sie zur Kindesbetreuung auf Erwerbsarbeit verzichtet. Allerdings bleibt es dabei, dass die nichteheliche Mutter in der Regel nur drei Jahre zu Hause bleiben kann, um ihr Kind zu versorgen, die geschiedene Mutter aber acht Jahre. Die damit verbundene Ungleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Bis es zu einer Entscheidung kommt, will Zypries die Situation nur leicht angleichen: Künftig kann die nichteheliche Mutter länger zu Hause bleiben, wenn die Aufnahme einer Arbeit „unbillig“ wäre, etwa weil sich das Kind nicht in den Kindergarten eingewöhnt.
Zugleich betont Zypries aber auch die nacheheliche Eigenverantwortung der Exgattin. Diese kann künftig nicht einfach bis zum achten Lebensjahr des Kindes warten, bis sie eine Arbeit sucht, sondern sie muss dann nachweisen, dass sie keine Kinderbetreuung findet.