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Steinzeitlicher Sexismus ist heute weniger das Problem

CLUBKULTUR Beim „Perspectives Festival“ im About Blank wurde die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Clubwesen diskutiert und gleich praktisch bekämpft: Es traten nur Frauen auf

Im Gremium der „Initiative Musik“: nur Männer. Im Chefteam des Club Transmediale: nur Männer

VON ANDREAS HARTMANN

Bei der Abschlussparty des „Perspectives“-Festivals im About Blank war es eigentlich wie immer in einer Freitagnacht. DJs und Live-Acts wechselten sich auf zwei Floors des Clubs am Ostkreuz ab, es wurde ausgiebig getanzt, die Stimmung war gut. Das Besondere war: es legten nur Frauen auf. Den meisten Clubbesuchern, die einfach nur eine gute Nacht verbringen wollten, wird das nicht aufgefallen sein. Dabei sind, und genau das war das Thema des Festivals, Frauen hinter der DJ-Kanzel auch nach all den Jahren Clubkultur immer noch selten anzutreffen. Man könnte auch sagen: Sie sind so gut wie gar nicht vorhanden.

Auch in Berliner Clubs, so will eine Studie des Frauennetzwerks für DJs, „Female Pressure“, herausgefunden haben, kommt auf neun männliche DJs gerade mal ein weiblicher. Warum das so ist und was man dagegen tun sollte, wurde bei „Perspectives“ diskutiert. Wieder einmal. Vor 15 Jahren wurde „Female Pressure“ von der Wienerin Electric Indigo gegründet, mit dem Anliegen, Frauen im Bereich der elektronischen Musik sichtbarer zu machen. Damals war offener Sexismus innerhalb der Szene ein Motivationsgrund für „Female Pressure“. DJ Acid Maria, von Anfang an beim Netzwerk dabei, berichtete auf einem der Panels bei „Perspectives“, dass sie gerne mal von Männern gefragt wurde, ob ihr Freund ihren DJ-Koffer gepackt habe.

Steinzeitlicher Sexismus dieser Art ist heute weniger das Problem. An dessen Stelle scheint eher ein unterschwelliger Chauvinismus getreten zu sein, der dazu führt, dass Frauen, trotz weiblichen DJ-Stars wie Ellen Allien oder Miss Kittin, immer noch als Exoten in der DJ-Branche gelten. Besonders bei der Gesprächsrunde mit Festivalbookern wurde deutlich, dass bei vielen Veranstaltern im Bereich der elektronischer Musik die Problematik, die „Female Pressure“ thematisiert, noch gar nicht angekommen ist. Jan Rohlf, einer der Veranstalter des Club Transmediale in Berlin, gab zwar zu, von den Zahlen, die „Female Pressure“ vorgelegt hat, „erschrocken“ zu sein, gab den Schwarzen Peter aber einfach zurück: an die Frauen. Bei den Bewerbungen für sein Festival kämen 20 Männer auf eine Frau, meinte er: „Und wenn die Frau dann an dem Termin nicht kann, dann ist uns die Frage nach Diversität irgendwann auch egal.“

Um zu beweisen, dass es auch anders gehen kann, saß Mats Almegard vom Volt-Festival mit auf der Bühne, der allerdings aus Schweden kommt, wo Frauen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen längst weiter sind als hierzulande. Das Line-Up seines Festivals in diesem Jahr liest sich äußerst interessant. Die Hälfte der Acts sind Frauen.

Man muss eben nur wollen, dann lassen sich auch die weiblichen DJs finden, darüber waren sich die Frauen und der Schwede einig, während Jan Rohlf fast schon zum Rainer Brüderle der Diskussionsrunde erklärt wurde. Die Männer, so ging es dann launig weiter, wollten halt meist nicht. In den meisten Schaltzentralen für Clubs und Festivals würden eben nur Männer hocken, die andere Männer protegierten, auch dieses Problem wurde diskutiert. Im Gremium der „Initiative Musik“ in Berlin: ausschließlich Männer. Im Chefteam des Club Transmediale: nur Männer.

Daran müsse man endlich mal ansetzen, das befand auch die Berliner Musikerin Gudrun Gut in einer weiteren Gesprächsrunde. Für Gut ist klar: „Strukturen müssen frauenfreundlicher werden.“ Sie, die schon in der Berliner Punkszene aktiv war, erkennt in der hiesigen Clubszene eine „unheimliche Kumpelei, die dazu führt, dass bei Bookings niemand fragt: Haben wir da nicht auch eine Frau?“.

„Perspectives“ hat einmal mehr den Finger auf die offene Wunde gelegt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger: Es wurde klar, dass die Problematik noch längst nicht abschließend diskutiert wurde. Acid Maria sagte, sie sei alleinerziehende Mutter. Da stelle sich die Frage: wo- hin mit dem Kind bei einem Auftritt? Welcher Berliner Club will der erste sein, der auch einen Babysitter bezahlt? Bitte melden.

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