: berliner szenen Auf der Berlin Biennale
„Uschi ein Wunder“
Die ersten zwei Wochen der bb4 sind herum und langsam wird klar, worum es eigentlich geht. Paranoia, Beklemmung, Mäuse, Menschen – sicher. Neue Kunstbegriffe und erweiterte Wahrnehmungsstrategien aber auch.
Ein Ort der Ausstellung, die ehemalige Jüdische Mädchenschule, ist so ansehnlich runter, dass Leute erst einmal fragend – Kunst? – und doch ehrfürchtig – man kann ja nie wissen! – vor traurigen Waschbecken, täglich weiter in Fetzen die Wände herab kriechender Tapete und Ankündigungszetteln über Klassenfahrten im Sommer des Jahres 1995 stehen.
Im vierten Stock hingegen diskutieren zwei Prada-Damen die Eignung eines der amüsanten Kleinformate von Marcel van Eden für die Wand über ihren heimatlichen Freitreppen. Auch erfrischend irgendwie, die ganze Kunst einfach mal wieder nicht als Chaos in der Ordnung der Welt, sondern als Möblierung von Eigenheimen zu betrachten.
Die in der Ecke eines anderen Raums nachlässig vom Wachpersonal abgelegte Pausenverpflegung, eine Banane, wird zum Fotomotiv einer aufgeregten spanischen Besuchergruppe und damit auch zum Exponat. Derweil beschädigt eine auf der Motivsuche ein wenig zu eifrig umherwirbelnde Fotografin Mark Manders' auf dem Boden aufgebaute Teebeutel-Ton-Installation. Der eiligst herbeigerufene Restaurator ordnet die Beutelchen vorsichtig an ihren Platz zurück. Die Frau indes flaniert, ohne ihn bei seiner Arbeit durch ein Wort des Bedauerns über ihr Missgeschick stören zu wollen, gekonnt unauffällig weiter.
Am schönsten jedoch ist die zehn Jahre alte Wachsmalstiftinschrift in großen runden Buchstaben an der Wand der Turnhalle: „Uschi ein Wunder“. Das über eure Freitreppe! ANNE WAAK