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: Grüne bilden sich ihre Meinung

Die Grünen-Fraktion im Bundestag hat den Bild-Redakteur Christoph Schmitz zu ihrem Chef-Pressesprecher gemacht. Das ist dem Vernehmen nach nicht bei allen Grünen gut angekommen. Doch hat die Fraktion ja ohnehin das eine oder andere am Führungsduo Renate Künast und Fritz Kuhn auszusetzen. Da gehören dann Anlass und Aufregung nicht immer so zusammen.

Trotzdem stellt sich die Frage, warum die Grünen – von der Bild seit je verleumdet wie keine andere Partei – sich einen lang gedienten Bild-Parlamentsreporter als Pressesprecher suchen. So ein Pressesprecher ist Stimme und Mittler der Fraktion. Er muss vor allem die Fraktionsspitze besser verstehen als die sich selbst. Er soll in Windeseile auch gröbste Widersprüche zu einer glaubwürdigen Erzählung fügen: Selbstverständlich sind sich alle einig, dass sie einen BND-Untersuchungsausschuss wollen. Natürlich ist Opposition großartig. Keiner hat hier ein Problem mit Joschka Fischer.

Und wer sollte die Kunst der irreführenden Zuspitzung von komplexen Sachverhalten besser beherrschen als ein Bild-Mann?

Das hatte sich schließlich auch Gerhard Schröder schon gedacht, als er den Bild-Chefreporter Béla Anda 1999 zum Vize, 2002 zum leitenden Regierungssprecher machte. Anda sollte außerdem gewährleisten, dass die Bild Schröder gewogen blieb, was bei einer ausschließlich skandalorientierten Zeitung eine ulkige Hoffnung ist. Doch möglicherweise wollte der Opportunist Schröder die als opportunistisch eingeschätzte Öffentlichkeit mit einem Fürsten des Opportunismus in Schach halten – und so gesehen war das eine nachvollziehbare Rechnung.

Nun haben allerdings die Grünen erstens sowieso nichts mehr zu verlieren. Sie brauchen auch nicht zu fürchten, dass ihnen im Bild-Leserlager allzu viele Wähler verloren gehen. Zweitens aber ist Christoph Schmitz von den Bild-Leuten keiner, der sich wirklich verstecken sollte.

Bild-Redakteure sind übrigens oft genug belesene, gut erzogene und freundliche Zeitgenossen, die nur das Pech haben, dass sie ihr Wissen auf fünf bis acht Zeilen unterbringen müssen. Wundert man sich über besonders verlogene oder widerliche Titel oder hört man davon, wie wieder Prominente erpresst wurden (entweder-Interview-oder-wir-machen-dich-fertig), war es immer „Hamburg“.

Das ist zwar ein durchschaubares Spiel. Immerhin aber hat Schmitz’ Name bislang nicht über grob rassistischen oder sonst wie gemeingefährlichen Stücken gestanden. Er kennt sich in Sozial- und Arbeitsmarktpolitik aus und hat in diesem Feld jedenfalls nicht ärger propagandistisch gewirkt als die Regierung selbst. Das können nicht alle Grünen von sich behaupten.

Ulrike Winkelmann