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Archiv-Artikel

Mehr Hilfen für Verstümmelte

Ärzteverband hat Leitlinien für die Behandlung von Frauen mit Genitalverstümmelungen entwickelt

BERLIN taz ■ Jawahir Cumar hat am eigenen Leib erfahren, wogegen sie heute kämpft. Mit fünf Jahren wurden ihre Genitalien verstümmelt. So will es der Brauch bei Frauen in Cumars Heimatland Somalia und vielen anderen afrikanischen Staaten. Seit zehn Jahren geht Jawahir Cumar von Düsseldorf aus gegen dieses martialische Ritual vor. Sie hat den Verein „stop mutilation“ gegründet, berät Opfer und begleitet sie zum Arzt.

Die 29-jährige Dolmetscherin ist nur eines von weltweit 150 Millionen Opfern von Verstümmelungen. Doch Jawahir Cumar tut alles, um betroffenen Mädchen und Frauen zu helfen. Deshalb begrüßt sie die Empfehlungen der Bundesärztekammer für die Behandlung von verstümmelten Frauen. Den Leitfaden stellte die Vizepräsidentin der Kammer, Cornelia Goesmann, gestern in Berlin vor. „Es ist sehr wichtig, dass Ärzte genau wissen, wie sie mit den Frauen umgehen sollen und welche Eingriffe sie vornehmen dürfen“, sagt Cumar.

Denn oft seien die Ärzte starr vor Schreck, wenn sie das erste Mal solche Verstümmelungen behandeln müssen. Erfahrungen mit speziellen chirurgischen Eingriffen hätten die wenigsten, sagt die dreifache Mutter. Sie selbst bekam das bei der Geburt ihres ersten Kindes zu spüren. Vor lauter Schmerzen konnte sie zwei Monate lang nicht gehen, weil ein Arzt den Scheidenausgang zu weit geöffnet hatte.

Jetzt haben die Mediziner zumindest Leitlinien an der Hand, wie sie den etwa 30.000 betroffenen Frauen in Deutschland helfen können. Zunächst sollen sie die Patientinnen behutsam auf die Eingriffe vorbereiten – möglichst mit Hilfe von Dolmetschern wie Jawahir Cumar. Oft haben Opfer Probleme bei der Menstruation oder können keinen Geschlechtsverkehr haben, weil die Schamlippen nach der Beschneidung einfach zusammengenäht wurden. In diesen Fällen sollen die Ärzte den Scheidenausgang mit einer Operation öffnen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) lobte die Empfehlungen als „eine gute Grundlage für Ärztinnen und Ärzte“. Denn die Ärzte müssten nicht nur fachlich versiert, sondern auch besonders sensibel mit den Frauen umgehen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), bezeichnete die Empfehlungen als einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die Verstümmelungen von Frauen und Mädchen. Genauso wichtig wie die Hilfe für die Opfer sei die Prävention. Es müsse verhindert werden, dass Frauen in Deutschland verstümmelt werden. Ärzten, die bei solchen Praktiken erwischt werden, wird die Zulassung sofort entzogen. Das sei bisher bei einem Mediziner der Fall gewesen, berichtete Böhmer gestern.

Jawahir Cumar vermutet aber, dass noch mehr Ärzte in Deutschland Frauen verstümmeln. Immerhin kann man damit bis zu 2.000 Euro verdienen.

MAURITIUS MUCH