: Nach dem Streik ist vor dem Streik
Die Einführung der 39-Stunden-Woche in Baden-Württembergs Kommunen setzt die Tarifparteien in den Ländern unter Druck. Die Gewerkschaft zeigt sich kompromissbereit, doch juristische Fallstricke im Südwest-Tarif machen eine Einigung schwer
VON BARBARA DRIBBUSCH
Von seinem Urlaubsort in Österreich führt er Dauertelefonate. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Hartmut Möllring (CDU), hat wenig Spaß an seinen Ferien. Nachdem sich am Mittwoch Gewerkschaften und Arbeitgeber darauf geeinigt haben, für die 220.000 kommunalen Beschäftigen in Baden-Württemberg die 39-Stunden-Woche einzuführen, stehen jetzt auch die Verhandlungen zwischen der TdL und den Gewerkschaften über die Arbeitszeiten der Landesbeschäftigten unter Druck.
Man verfolge derzeit eine Strategie informeller Gespräche, hieß es gestern aus Kreisen der Verhandlungsführer. Offiziell sind die Verhandlungen ausgesetzt. Während zu den kommunalen Einrichtungen die Müllabfuhr und Kindergärten zählen, gehören zu den Landesunternehmen unter anderem die Landespolizeidirektionen, Museen und Universitätskliniken. Insgesamt sind von den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft der Länder bundesweit rund 850.000 Angestellte und Arbeiter betroffen.
Der kommunale Tarifabschluss aus Baden-Württemberg mit der 39-Stunden-Woche sei auch für die Länder „ein Schritt in die richtige Richtung“, erklärte gestern der Vizevorsitzender der TdL, der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner (SPD). Es müsse nun ein Kompromiss gefunden werden, der für die Länder finanzierbar sei.
Auf eine höhere Stundenzahl für die Landesbediensteten wird sich die Gewerkschaft momentan schon deshalb kaum einlassen, weil sie aufgrund der so genannten Meistbegünstigungsklausel in den kommunalen Tarifverträgen von den Arbeitgebern automatisch auch dort eingeführt werden könnte.
Diese schon vor einem Jahr ausgehandelte Klausel wird deswegen sowohl von der Gewerkschaft Ver.di als auch von der TdL inzwischen als lästig empfunden. „Wir hängen nicht an der Klausel“, sagte Ver.di-Sprecher Jan Jurczyk der taz. Der Geschäftsführer der TdL, Ulrich Rieger, erklärte, er habe Informationen, dass auch innerhalb der kommunalen Arbeitgeber inzwischen darüber diskutiert werde, ob man die Klausel nicht modifizieren könne. Zuletzt hatten die Arbeitgeber eine solche Änderung noch abgelehnt.
In Baden-Württemberg hatten sich die Gewerkschaft Ver.di und der kommunale Arbeitgeberverband am Mittwoch auf eine Verlängerung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde auf 39 Wochenstunden geeinigt. Nur für Auszubildende und Leute in Altersteilzeit bleibt es bei 38,5 Stunden. Für Teilzeitkräfte soll es aufgrund der neuen Berechnungen nicht zu Lohnkürzungen kommen. Der Tarifvertrag hat eine Laufzeit bis Ende 2009.
Mit der Einigung wurde ein fast neunwöchiger Streik beendet. Vor Baden-Württemberg hatten die Kommunen in Niedersachsen und die Stadtbetriebe in Hamburg neue Wochenarbeitszeiten für ihre Beschäftigten vereinbart. In Hamburg wurde ein Gesamtvolumen von 38,8, in Niedersachsen von 38,9 Wochenstunden vereinbart.
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