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Archiv-Artikel

Wann es euch gefällt

INSTANT Kommen, zahlen, mitmachen, gehen. Der Alltag ist immer ungeregelter, also gibt es nach Coffee jetzt auch Yoga und Coaching to go

Flexible Freizeit

Arbeit: Für viele Menschen gibt es nicht mehr den Arbeitstag, der pünktlich von neun bis fünf Uhr geht. Entweder sie haben keine Arbeit, oder sie haben viel Arbeit zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten. Flexibilisierung der Arbeit führt zur Flexibilisierung der Freizeit.

Freizeit: Dienstleister müssen ihre Dienste den neuen Bedingungen anpassen. Dazu gehört, dass regelmäßige Kursbesuche nicht mehr möglich sind, dass Dienstleistungen ortsnah angeboten werden oder dass die Dienstleister eine soziale Komponente übertragen bekommen, die früher eher dem sozialen Umfeld zufiel.

VON WALTRAUD SCHWAB

Das Studio liegt nahe dem Bahnhof Friedrichstraße, mitten in der Berliner City. Wer durch den großzügigen Innenhof geht, links den ebenerdigen Eingang nimmt, seine Straßenkleidung aus- und den Trainingsanzug anzieht und den Übungsraum betritt, verpflichtet sich zu nichts. Yoga kriegt man hier. Sofort. Auf der Stelle. Yoga to go. Eintreten, bezahlen, teilnehmen, gehen. Danach kommt man vielleicht nie mehr. Oder man kommt wieder. Ganz wie es beliebt.

Immer öfter werden Instant-Dienstleistungen zum Wohle des Körpers und der Seele angeboten. Shiatsu to go, Yoga to go, Coaching to go, Qigong to go. Mehr ist denkbar. Man kommt, macht mit, geht. Wie „Coffee to go“. Wie „to take-away“. Was zuerst wie die Billigvariante eines ernsthaften, Körper und Geist stabilisierenden Anliegens wirkt, weil „to go“ und „to take away“ eben nach schnell und preiswert klingt, stellt sich eher als das Gegenteil heraus: als Kleinod im Alltag. Eins, das die Defizite und die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft spiegelt.

Körperfeindliche Rasanz

Wiebke – Vornamen sind Usus – heißt die Yogalehrerin, die bei City Yoga in Berlin den Unterricht macht für die fünf anwesenden „Absoluten Beginner“. Alle sind Frauen. Auf Anfängerinnen wirkt es so, als führe Wiebke die nächsten 75 Minuten mit einer körperfeindlichen Rasanz durch das Programm. Wären nicht so schöne Sprachbilder wie „Der nach unten schauende Hund“, „Der zweite Krieger“ oder „Die Schulterbrücke“, die die Yogalehrerin benutzt, um die anwesenden Yogadebütantinnen dazu zu verführen, ihre gestauchten Körper zu dehnen, bliebe nur Drill. Selbst mit den schönen Worten ist es noch anstrengend, immerhin aber hat der Kopf einen Ausweg zum Träumen. Hund, Schulterbrücke, zweiter Krieger – wer mag der erste sein?

Das offene Konzept wirft Probleme auf: „Die Yogalehrer und Yogalehrerinnen wissen nie, wer kommt“, meint Veit Turske, den sie hier Vilas nennen, „deshalb brauchen sie in ihren Kursen ein gutes Gerüst, um Verletzungen zu vermeiden.“ Als Drill, als Kopfwäsche soll es nicht rüberkommen. Im Gegenteil, Vilas ist stolz, eine Yogarichtung anzubieten, „ohne esoterisches Klimbim“. Er hat City Yoga vor sechs Jahren gegründet. Und sein Anspruch ist hoch. Nicht nur soll das Zentrum an 365 Tagen offen sein, nicht nur sollen die LehrerInnen langjährige Erfahrung haben, die Yoga-Bedürftigen sollen auch über den Tag verteilt ihren Kenntnissen entsprechend bedient werden. „Wir verstehen uns als Dienstleister und als Diener unserer Schüler“, sagt er. Die Leute sollen dann kommen können, wenn es in ihren Lebensplan passt. „Der Alltag ist für viele ein Kampf. Sie arbeiten zu allen Tages- oder Nachtzeiten“, sagt er. Und: „Wir leben in einer Zeit, wo sich vieles verändert. Das ist mit Ängsten verbunden.“ Auch ihn, der früher Kunsthändler und Unternehmensberater war, hat eine persönliche Krise zum Yoga gebracht.

Schnelligkeit, Hektik, ungeregeltes Leben – das hat ebenfalls zum Konzept von Shiatsu to go geführt. Seit fünf Jahren wird diese Sofortentspannung in einem Berliner Laden, der sich Leibkultur nennt, angeboten. Vergleichbar mit einem Friseurladen: Man geht rein, fragt, ob ein Termin frei ist, wartet ein wenig, kommt dran, lässt es sich gut gehen und geht wieder. Anders als bei Shiatsu-Therapiestunden, gibt es Shiatsu to go auch kürzer. „Zehn Minuten, zwanzig, dreißig – je nach Bedarf“, sagt Regine Kraus, eine der beiden Betreiberinnen, von Beruf Heilpraktikerin mit Shiatsu-Ausbildung. Shiatsu to go sei nicht Therapie, sondern Wohlbefinden – kurz und spontan. Man kommt, „bevor die Hexe in den Rücken schießt“. Auch sie sagt, dass die Leute kämen, weil sie heute so viel Stress aushalten müssten. „Wenn Stress aber Kopfschmerz verursacht, dann nützt es dir nichts, wenn du in drei Tagen einen Shiatsu-Termin hast.“ Übrigens hat sie ihre Inspiration aus Spanien und den dortigen Siesta-Salons. Dort gibt es Schlafen to go.

Coaches sind ebenfalls als Instant-Dienstleister tätig. Am Ammersee etwa wohnt Volker Hepp. Er bietet Coaching to go an. Telefoncoaching. Zahlbar im Viertelstundentakt. Hepp gibt Unterstützung, wenn schnell und sofort Beratung gebraucht wird. „Stellen Sie sich vor, jemand steht kurz vor einer Präsentation und hat Zweifel, wie er rüberkommt“, nennt er als Beispiel. „To go“ allerdings gibt es seinen Service nur, wenn vorher ein Ersttelefonat stattgefunden hat, „man sich kennengelernt hat“.

„Wir verstehen uns als Dienstleister, als Diener unserer Schüler“

YOGALEHRER VILAS TURSKE

Keine Absolution

Coaching, meint er, sei zielorientiert. Es sei mehr an zukünftigen Entwicklungen orientiert als an der Vergangenheit. Von Telefonsex, dem Beichtstuhl oder Doktor Sommer unterscheidet sich die Methode aber, weil der Coach dem Gecoachten nicht sagt, wie er sein Problem lösen soll, oder Absolution erteilt. Vielmehr unterstütze er ihn dabei, selbst eine Lösung zu finden. Hepp glaubt, dass Coaches den Geist der Zeit spiegeln. Zeitdruck, Stress und Individualisierung sind seine Stichworte. „Jetzt holt man sich über eine Dienstleistung, was man früher im sozialen Netzwerk geholt hat.“

„Coach“ ist keine geschützte Berufsbezeichnung, ebenso wenig wie „Yogalehrer“. Es gibt ganz verschiedene Strömungen. Ergebnisorientierte und prozessorientierte. Ausgerechnet Andreas Steinhübel aus Osnabrück, der Coach, der das Wort „coachingtogo in seiner Internetadresse hat, meint etwas ganz anderes damit: Er will seinen Klienten zum eigenständigen Gehen verhelfen und zur Entschleunigung. „Es braucht die Geschwindigkeit, das Ankoppeln, aber es braucht auch Zeit“, meint er. „Es braucht Take-away und Slow Food.“