: Friedrichshain gegen Kreuzberg
Bei der Wasserschlacht kämpfen die BewohnerInnen der zwangsvereinigten Ortsteile Friedrichshain und Kreuzberg um die Vorherrschaft im gemeinsamen Bezirk
■ Am Sonntag, 22. September, ab 12 Uhr auf der Oberbaumbrücke
Bis zuletzt gab es immer noch Unsicherheiten, ob das Event stattfindet, also schaut ruhig noch mal auf die Webseite der Bergpartei:
(Anm. d. Red: Nieder mit den F-Hainis – Kreuzberg prevails!)
Auf den ersten Blick scheint der Fall klar. Wasserschlacht am Wahlsonntag, High Noon, Oberbaumbrücke. Eine Gegenveranstaltung zur Bundestagswahl, wo sich Leute treffen, die keinen Sinn darin sehen, wählen zu gehen. Und die ihre Zeit lieber mit wirklich wichtigen Dingen verbringen wollen. Mit bunten Schaumstoffrohren aufeinander einhauen zum Beispiel. Oder die KontrahentInnen mit stinkendem Abfallwasser aus Spritzpistolen zu beschießen. Oder Mehlbomben mit Riesenzwillen im hohen Bogen über die Spree zu schleudern. Alles mit dem Ziel zu bestimmen, wer das Sagen hat in Friedrichshain-Kreuzberg.
Ganz so ist es dann aber doch nicht. Bestimmt werden sich auch einige WählerInnen am Sonntag unter die KombattantInnen mischen. Zum Beispiel von der Bergpartei, der Überpartei, die die Wasserschlacht mitorganisiert. Die Entscheidung, den Termin auf den Wahlsonntag zu legen, hatte pragmatische Gründe, sagt Mitorganisator Hauke Stiewe. Man habe genug Zeit gehabt, um Geld für die Reinigung zu sammeln, auch sei es noch nicht zu kalt für den nassen Spaß. Außerdem verstehe man die Veranstaltung als „Wahlschlacht“, zu der die VertreterInnen aller Parteien eingeladen seien. „Jedem Abgeordneten, der vorbeikommt, gebe ich einen Schaumstoffknüppel aus“, sagt Pastor Leumund, Bundesvorsitzender der Bergpartei, die Überpartei.
Die Wasserschlacht von Friedrichshain-Kreuzberg. Ins Leben gerufen wurde sie 1998 als Reaktion auf die Zusammenlegung von Friedrichshain und Kreuzberg zu einem Verwaltungsbezirk. Und wie das in Berlin so ist, wenn von oben Dinge durchgesetzt werden, mit dem der gemeine Berliner nicht einverstanden ist, ging es auf die Straße. Ein ausdrucksstarkes Zeichen sollte gesetzt werden. Das ist den OrganisatorInnen mehr als geglückt: Die Bilder von Dutzenden von Menschen, die sich stundenlang gegenseitig mit Styropor und Wasserkanonen bekriegen, gingen um die Welt. Sogar Medien aus Japan, Island und Neuseeland berichteten. Viele Schaulustige zieht es Jahr für Jahr auf die Oberbaumbrücke, die sich das Geschehen anschauen wollen. Das ist auch der Grund, weshalb der Termin so lange wie möglich geheim gehalten wird. „Hier gibt’s nichts zu gaffen“, sagt Anmelder und Bergpartei-Direktkandidat Benjamin Richter.
Die Attraktivität hat aber ihren Grund noch auf einer anderen Ebene: Die Wasserschlacht ist so ein typisches Berlin-Ding. In keiner anderen Stadt Deutschlands wäre so etwas denkbar. Zugleich zeigt sich hier die Subkultur aus beiden Kiezen. HausbesetzerInnen, Polit- und Kultur-AktivistInnen und Punks stehen sich gegenüber. Ganz zu schweigen von Gruppierungen, die sich nur wegen der Schlacht gegründet haben. Da gibt es die Wasser Armee Friedrichshain, kurz: WAF, die Total Krassen Kreuzberg Gegner (TKKG), die Friedrichshainer Amorphe Zellen (FAZ), die Abstrakten Extremisten und die Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ), aus welcher der Berliner Landesverband der Partei „Die Partei“ hervorgegangen ist. Zwar hat sich die Zusammensetzung inzwischen gewandelt, inzwischen würden sich auch hippe Leute und TouristInnen unter die Kämpfenden mischen, berichtet Pastor Leumund. Der Spirit sei aber erhalten geblieben.
Dem Happening-Charakter zum Trotz ist die Schlacht keine Spaßveranstaltung. Es werden ja immerhin auch politische Inhalte transportiert. Gleiches gilt für die Bergpartei, die das Event seit ihrer Gründung mitorganisiert. Wo manche Ironie riechen mögen, steckt ein ernster politischer Kern. So wirbt die Partei beispielsweise neben konkreten politischen Forderungen wie dem bedingungslosen Grundeinkommen für mehr Selbstorganisation. Anstatt nur wählen zu gehen, solle man sich aktiv, zusammen mit anderen, für die Gestaltung seines Umfelds einsetzen. Nur so könne sich wirklich etwas verändern. „Wir wollen zusammen reparieren, was kaputtgegangen ist“, sagt Stiewe.
Für alle, die mitmachen wollen, gibt es hier noch ein paar Regeln: Es handelt sich hierbei um eine Wasserschlacht und nicht, wie fälschlich verbreitet, um eine Gemüseschlacht. Verkochte Spaghetti werfen ist okay. Hartes Gemüse wie Kohlrabi oder Eier mit ihrer Schale sind aber verboten. Gleiches gilt selbstredend für Glasflaschen. Auch handelt es sich um eine Spaß-Schlacht. Allzu verbissene KämpferInnen sind hier also falsch. Kinder sollten bei Möglichkeit nicht in der ersten Reihe mitkämpfen. Auch sollten sich Schaulustige darauf gefasst machen, mit in das Kampfgeschehen einbezogen zu werden. „Weil es wieder chaotisch zugehen wird, müssen alle nicht auf sich selbst, sondern auch aufeinander aufpassen“, sagt Benjamin Richter. Und nun: Schluss mit dem Gelaber! Wasser marsch! LUKAS DUBRO