: „Für uns erübrigt sich das nicht“
Eine Mehrheit in der Bürgerschaft wäre dafür, das Wahlalter auf 16 zu senken. Entgegen stehen dem die Angst um Bremens Selbständigkeit – und die CDU. Jugendbeiräte fordern eigenes Existenzrecht
von Armin Simon
„Das kommunalpolitische Interesse junger Menschen wecken“ will die CDU, die SPD „das kommunalpolitische Engagement von jungen Menschen stärken“, die Grünen „Jugendliche möglichst früh für Politik interessieren und sie zum Mitmachen motivieren“. Herausgekommen ist ein einstimmiger Beschluss der Bürgerschaft: Die 16- und 17-Jährigen BremerInnen, rund 10.000, sollen künftig die Stadtteilparlamente mitwählen und – bundesweit einmalig – auch selbst in die Beiräte gewählt werden dürfen.
Die Reaktionen auf den Vorstoß sind dennoch verhalten. „Eine gute Idee“, urteilt etwa Paul Tiefenbacher vom Verein Mehr Demokratie – wenn auch die Beiräte in Bremen in erster Linie Beratungsorgane „mit sehr geringem Einfluss“ seien, kurz: „eine Spielwiese“. Und der Jugendbeirat Schwachhausen, seit einem knappen Jahr im Amt, stellte klar, dass der Beschluss ungeeignet sei, „an der Politikerverdrossenheit von Jugendlichen“ etwas zu ändern.
Im Ortsamt Schwachhausen zeigt man sich denn auch etwas verwirrt, was den Bürgerschaftsbeschluss und die Konsequenzen daraus angeht. Der Schwachhauser Beirat, der die Gründung des Jugendbeirats parteiübergreifend unterstützt, hatte nämlich gut eine Woche zuvor die Bürgerschaft explizit aufgefordert, eine gesetzliche Grundlage für Jugendbeiräte zu schaffen – damit er den jugendlichen Deligierten nicht, wie seit einem knappen Jahr der Fall, in jeder Sitzung mit Goodwill und Tricks für Rede- und Antragsrecht der Jugendlichen sorgen muss. Es sei „unklar“, formulierte es der kommissarische Ortsamtsleiter Ernst Kittlaus, ob diese Initiative nun überhaupt weiterverfolgt wird. Oder ob die Jugendbeiräte bei einem Wahlrecht ab 16 bei Beiratswahlen nicht sowieso überflüssig wären. Der Vorsitzende des Jugendbeirats, Felix Hermann, wies dieses Ansinnen zurück. „Für uns erübrigt sich das nicht“, betonte er. Jugendbeiräte sollten Jugendlichen gerade die Möglichkeit geben, sich außerhalb von Parteien politisch zu engagieren. Durch eine reine Absenkung des Wahlalters bei den Beiratswahlen, prophezeit er, „wird Politik für Jugendliche nicht interessanter und deshalb werden sich nicht mehr Jugendliche politisch beteiligen“.
Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD), Schirmherr des Schwachhauser Jugendbeirats will Ende des Monats mit dem Jugendbeirat reden. Der Idee, unabhängig von der Wahlalterabsenkung ein eigenes Gremium zu schaffen, stehe er „sehr offen gegenüber“, sagte er der taz.
SPD, Grüne und Linkspartei dagegen liebäugeln bereits mit einer weiteren Ausweitung des Wahlrechts. Auch für Bürgerschaftswahlen solle das Wahlalter auf 16 Jahre sinken, fordern sie – und hätten dafür, mit 52 von 83 Stimmen, bereits eine Mehrheit. Entgegen steht dem, neben dem Koalitionszwang, die Bremensie der „Realunion“: Der Senat ist Landes- und Stadtregierung in einem, die Bürgerschaft Landtag und – ohne die Bremerhavener Abgeordneten – Kommunalparlament zugleich. Eine Aufgabe dieser Realunion, fürchtet der SPD-Abgeordnete Wolfgang Grotheer, „wäre der erste Schritt zur Aufgabe der Selbständigkeit Bremens“, sagt Grotheer – lassen sich doch Länder mit gleichartigen politischen Strukturen leichter miteinander verschmelzen. Grotheer: „Das wollen wir nicht.“
Dabei ist die „Realunion“ längst Geschichte. Auch die gut 7.000 Bremer EU-AusländerInnen dürfen nämlich die Stadtbürgerschaft wählen. Weshalb die Grünen-Abgeordnete Lisa Wargalla nur dort und die Stadtbremer SPD-Abgeordnete Gule Iletmis nur im Landtag sitzt.