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Archiv-Artikel

Starke Schwächen

Das Wochenendkrimi-Interview: Senta Berger über ihre Rolle als konflikt-beladene Kriminalrätin in der Reihe „Unter Verdacht“ (Sa., 20.15 Uhr, ZDF)

INTERVIEW HANNAH PILARCZYK

taz: Frau Berger, in Ihrer Rolle als Eva Prohacek spielen Sie eine Kriminalrätin, die von ihren Kollegen unterschätzt und von ihrem Vorgesetzten erniedrigt wird. Außerdem leidet die Raucherin unter Asthma und ist ziemlich schreckhaft. Wie legt man als Schauspielerin eine Rolle mit so vielen Schwächen an, ohne sie als zu schwach bloßzustellen?

Senta Berger: Eigentlich haben wir die Eva Prohacek genau andersherum angelegt. Wir wollten jemand Unerbittliches zeigen. Jemanden, der unerbittlich in seinem Anspruch an die anderen, aber auch an sich selbst ist. Gleichzeitig wollten wir die Frau aber auch nicht als unmenschlich stark anlegen, weshalb wir uns Schwächen für sie überlegt haben, die man nachvollziehen kann – zum Beispiel ihre Einsamkeit im Beruf. Die tut ihr eigentlich weh, trotzdem kann sie daraus auch eine Stärke machen, weil sie ihre Einsamkeit auch als Chance zur Unabhängigkeit begreift. Dieser Konflikt zwischen Stärke und Schwäche macht für mich den Reiz der Rolle aus.

Mit ihrer Angreifbarkeit steht die Figur der Eva Prohacek im deutschen Krimi ziemlich allein dar. Ansonsten dominieren von „Bella Block“ bis zur „Kommissarin“ immer die resoluten Ermittlerinnen.

Ja, lange Zeit gab es im deutschen Fernsehen keinen Ort, um von einer Frau mit diesen Konflikten zu erzählen.

Woran lag das?

Es ist ja ein ständiges Suchen bei allen Sendern nach quotenträchtigen Formaten. Auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Da schien ein solcher Stoff wohl lang nicht attraktiv genug – bis sich amerikanische und britische Formate wie etwa „Internal Affairs“ mit Helen Mirren durchsetzen konnten. Das sind alles sehr intelligente Erzählungen, die die Klischees nicht bedienen wollen. Erst als man die gesehen hat, hat man sich in Deutschland wohl getraut, Ähnliches zu probieren.

Im Vergleich zum „Tatort“ etwa fällt auch auf, dass bei „Unter Verdacht“ kaum Privatleben der Hauptfiguren gezeigt wird. Sind Sie froh, mal nicht die in Beziehung oder Familie aufgeriebene Frau zu spielen?

Ach, gegen eine gute Familiengeschichte habe ich nichts. Wir haben bei „Unter Verdacht“ sogar schon mal versucht, mehr Privatleben der Figuren zu zeigen, haben das aber nach den Aufnahmen verworfen, weil es den Antagonismus zwischen der Prohacek, ihrem Kollegen Langner und dem Chef Reiter zerstört hat. Das ist eine sehr ausbalancierte Dreierkonstellation, bei der jedes Mehr an Privatleben nur stören würde.

Wie viel Raum haben Sie dann noch, um Ihre Figur weiterzuentwickeln?

Nicht sehr viel. Aber ich glaube auch nicht, dass wir das Potenzial unserer Personenkonstellation schon ausgereizt haben. Außerdem behandeln wir ja auch politische Themen wie Korruption. Da ergibt sich noch genügend Dynamik aus den Fällen.

„Tatort“-Kommissarin Sabine Postel hat mal gesagt: „Für Darstellerinnen in unserem Alter gibt es sowieso nur diese Möglichkeiten: Entweder fangen wir schon damit an, die alerten Großmütter bei Rosamunde Pilcher zu spielen, oder wir sind die toughen Kommissarinnen im ‚Tatort‘.“ Wie sieht es bei Ihnen mit interessanten Rollenangeboten aus?

Ich selber liege, wenn ich das so sagen darf, nicht brach. Als Nächstes drehe ich zum Beispiel einen Film über eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung. Aber auch sonst glaube ich, dass Schauspielerinnen in meinen Alter in Deutschland sehr viel größere Chancen als in anderen Ländern haben. Fernsehen ist ja kein Avantgarde-Medium, im besten Fall bildet es die Realität ab. Und wenn es das tut, dann schließt das auch die Frauenbilder unserer Zeit ein, die sich ja stark verändert haben – und verändert haben müssen. Deshalb gibt es gar nicht so selten interessante Rollen für Frauen jeden Alters.