piwik no script img

„Angst vor dem Chaos“

LESUNG Gil Yaron, Journalist aus Israel, erklärt den Blick Israels auf den Arabischen Frühling

Gil Yaron

■ 40, von Beruf Arzt, aufgewachsen in Düsseldorf, ist mit 17 Jahren nach dem Abi in die USA gegangen, lebt seit 20 Jahren in Israel – heute als Journalist.

taz: Herr Yaron, was lesen Sie?

Gil Yaron: Ich lese aus drei Büchern von mir, einem historischen-politischen Jerusalem-Führer und aus zwei Büchern, in denen ich über meine Begegnung mit Menschen in Israel und Palästina berichte.

Viele in Israel haben Angst vor dem Arabischen Frühling.

Er löst viel Unbehagen aus, weil sein Ausgang so unsicher ist. Man hat als Mensch immer Angst vor dem Unbekannten.

In Europa gab es anfangs eine große Euphorie.

Diese Debatte gab es auch in Israel. Selbst die sozialen Proteste, die in Israel stattgefunden haben, waren ja inspiriert durch den Arabischen Frühling nach dem Motto: Wenn die Ägypter für Wandel demonstrieren können, dann können wir das auch. Aber der Arabische Frühling hat bisher nur zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse geführt. Die Leute sind ärmer, unsicherer und auch frustrierter.

Es geht auch um die militärische Bedrohung. Macht das in Israel Sorge, was in Syrien passiert?

In Syrien werden zu hunderten Menschen ermordet, mit ihnen gibt es viel Mitleid. Und man sagt: Wenn die Welt so stillhält, selbst wenn Giftgas eingesetzt wird – wie wird sie sich verhalten, wenn wir mal richtig bedroht werden?

Aber Syrien als Militärmacht fällt weg.

Was Israels generelle Sicherheitslage betrifft, so ist der Arabische Frühling ein zweischneidiges Schwert. Israel ist heute viel sicherer als es früher war, als man einen Dreifrontenkrieg befürchten konnte. Die ägyptische Armee ist damit beschäftigt, die Extremisten zu zerdrücken, die syrische Armee ist damit beschäftigt, ihr eigenes Volk zu ermorden, die irakische Armee existiert nicht mehr ...

Und die Hisbollah kämpft in Syrien.

Ja, und die Hamas hat keinen Rückhalt mehr, bei keinem arabischen Staat. Die konventionelle Bedrohung ist nicht mehr da, dafür ist eine andere Bedrohung entstanden, die aus dem Chaos entspringt.  Interview: KAWE

Lesung 16 Uhr, Bürgerschaft, bei Sonne im Skulpturengarten

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen