: Alles hängt zusammen
WAHL II Junge Muslime debattieren mit Politikern – für die ist der Umgang längst noch nicht „normal“
Klaus Lederer dürfte gestaunt haben: Er bekam am meisten Applaus bei einer Debatte Berliner MuslimInnen vom Projekt „Juma“ („Jung, muslimisch, aktiv“). Welche Rolle Muslime für die Parteien spielen, lautete die Frage an deren Vertreter im Museum für Islamische Kunst.
Lehrer- oder RichterInnen mit Kopftuch? Für den Linke-Chef kein Problem: „Andere Überzeugungen muss man aushalten – so wie man aushalten muss, dass ich schwul bin.“ Offenbar kein Problem für die Muslime. „Authentisch“ sei Lederer, sagt eine: „Spontan würde ich heute Abend ihn wählen.“ Sonst sei sie eher für die Grünen. Sind Umweltthemen ihr wichtiger als die Haltung zur Religion? „Das hängt ja zusammen“, findet sie: „Als Muslima ist Umwelt mir wichtig.“
So selbstverständlich, wie sich die Nachkommen von Einwanderern in der Gesellschaft verorten, geht die Politik nicht mit ihnen um – auch das zeigte die Debatte. Etwa so: Er habe sich für die Erweiterung des Spandauer islamischen Friedhofs eingesetzt, sagt SPD-Mann Swen Schulz. Dafür habe er sich vor „normalen Bürgern“ rechtfertigen müssen. Muslime und „Normale“ – wie die sicher ungewollte Botschaft ankommt, ist deutlich spürbar.
Von knapp drei Millionen volljährigen BerlinerInnen dürfen etwa 460.000 nicht wählen – sie haben keinen deutschen Pass. Jeder zehnte der übrigen 2,5 Millionen hat Migrationshintergrund – rund eine Viertelmillion. Eine durchaus einflussreiche Wählerschaft, aber keine homogene.
Umfragen erbringen meist Ergebnisse im Sinne der Fragenden. Auch im Fall einer im August veröffentlichten Umfrage zum Wahlverhalten der Deutschtürken: 6,9 Prozent geben demnach der muslimischen Partei BIG ihre Stimme, so das Ergebnis der Befragung, deren Macher der Partei teils nahestehen. Nur: In Berlin erreichte sie bei der Abgeordnetenhauswahl 2011 selbst in Neukölln keine 1,5 Prozent.
Auch die Ergebnisse in Bezirken mit hohem Einwandereranteil lassen kaum Rückschlüsse auf deren Wahlverhalten zu. Im einwandererreichen Nord-Neukölln bekommen die Grünen viele Stimmen. Doch wählen die Einwanderer grün? Oder gehört das zum Lebensstil der Deutschstämmigen, die diese Multikulti-Wohngegenden schätzen?
Immerhin: Bei der Debatte bezweifelt kein Parteivertreter mehr, dass der Islam zu Deutschland gehört. Dass ansonsten integrationspolitische Themen im Wahlkampf keine Rolle spielen, nehmen die Juma-Mitglieder positiv auf. „Das waren ja meist Debatten, bei denen es darum ging, uns auszugrenzen“, sagt die Grünen-Wählerin. „Ist doch gut, wenn man damit keine Stimmen mehr gewinnt.“ ALKE WIERTH