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Archiv-Artikel

Das Montagsinterview„Das war ein Schlag in den Nacken“

Die Einbürgerungsurkunde erhält Jannine Menger-Hamilton heute vom Regionspräsidenten persönlich. Sie wird sie abheftenDEUTSCH ODER UNDEUTSCH Zwei Jahre hat der niedersächsische Verfassungsschutz Jannine Menger-Hamiltons Einbürgerung verzögert, weil sie sich politisch links engagiert. In der taz erklärt sie, wie sich das anfühlt – und denkt über eine Würstl-mit-Kraut-Taufe nach

Jannine Menger-Hamilton, 31

■ in Celle geboren, Tochter einer Italienerin und eines Briten, verheiratet, hat in Hannover Germanistik und Religionswissenschaften studiert und ist Sprecherin der Linksfraktion im schleswig-holsteinischen Landtag. Mit 23 Jahren in die SPD eingetreten und 2005 zur niedersächsischen Juso-Chefin avanciert, sorgte sie 2007 für überregionales Aufsehen: Gemeinsam mit vier weiteren Nachwuchs-Funktionären wechselte sie aus einer „ideologie- und utopielosen SPD“ zu der in Gründung befindlichen Partei Die Linke.

INTERVIEW BENNO SCHIRRMEISTER

?taz: Frau Menger-Hamilton, haben Sie die Einbürgerungs-Urkunde eingerahmt – oder abgeheftet?

Jannine Menger-Hamilton: Ich bekomme die ja heute erst, mit Extratermin, damit die allgemeine Einbürgerungsfeier nicht durch Medienrummel gestört wird. Der Regionspräsident wird sie mir höchstpersönlich überreichen.

Toll!

Und dann werde ich sie abheften.

Ach??!

Ja, nach dem ganzen Kampf ist meine Begeisterung für Festakt und Urkunde doch beträchtlich geschmolzen. Ich nehm’s jetzt hin, schön, dass ich sie habe – aber dann ist auch gut. Einrahmen, nein, das kommt nicht in Frage. Dann könnte ich mir ja gleich ein Bild von Innenminister Uwe Schünemann aufhängen. Vielleicht gibt’s eine private Feier – in einer Kleingartenkolonie, und zu essen gibt es Würstl.

Mit Sauerkraut …?

Selbstverständlich!

Es ist kein klassisches Ziel für eine Linke, Deutsche werden zu wollen. So einen Antrag hartnäckig zu verfolgen – ist das kein komisches Gefühl?

Für mich ist es eher ein komisches Gefühl, dass das alle so befremdet. Oder kennen Sie viele Linke, die einen Ausbürgerungsantrag gestellt hätten?

Immerhin gibt’s die Anti-Deutschen!

Klar, aber selbst die wollen nicht alle den ganzen Tag Deutschland-Flaggen verbrennen. Meine Gründe waren ganz pragmatisch: Ich möchte nicht immer mit einem britischen Reisepass rumlaufen und mir sagen lassen: Oh, Sie sprechen aber schon gut Deutsch. Und ich möchte hier wählen können.

Und in den Landtag gewählt werden?

Das steht momentan nicht zur Debatte. Mein Job bei der Kieler Fraktion macht mir tierisch Spaß. Klar, ich bin ein politischer Mensch, warum sollte ich mir das nicht vorstellen können –aber weder arbeite ich darauf hin, noch hatte ich das im Hinterkopf, als ich den Antrag gestellt habe.

Ihr politisches Engagement hat zur Verschleppung des Verfahrens geführt. Haben Sie das als Zurückweisung empfunden?

Die Verschleppung selbst nur als Politikum. Wirklich als Zurückweisung empfunden, und ja, auch als schmerzlich, habe ich diese Vorwürfe, die erhoben wurden. Dass alles, was man, pathetisch gesagt, ins Land einbringt …

gegen Sie verwendet werden kann?

Also das war wirklich ein Schlag: Ich gehe in die Behörde und bekomme eine dicke Akte – meine Akte! – und da steht: Der Verfassungsschutz hat Bedenken, beigelegt ein Schwall von zusammengegoogletem Unsinn, und am Ende die Forderung, mich nicht einzubürgern – das war ein Schlag in den Nacken. Das hat mich persönlich getroffen.

Gerade dass es Unsinn ist, macht die Situation kafkaesk.

Das ist genau der richtige Ausdruck: Man hat ja keine Handhabe. Ich habe mich wirklich hilflos gefühlt. Man beantragt das, weiß, man hat sich nichts vorzuwerfen – und dann ergibt sich so ein Hin-und-Her zwischen den Behörden. Monatelang passiert einfach nichts. Man hat so eine Wut im Hals – und kann nirgendwo hin damit.

War da nicht auch Verunsicherung oder ein Gefühl von Überwachtheit?

Anfangs schon, vor der Akteneinsicht. Ich hatte erfahren: Es ist der Verfassungsschutz, der Bedenken erhebt. Und ich hatte ja keine Idee, worin die bestehen könnten. Da fragst du dich: Wie komme ich in deren Visier, mit wem habe ich mich umgeben, der vielleicht Bomben bastelt?

Und?

Das hat sich in so ein sarkastisches Schmunzeln aufgelöst – als ich nachgelesen hatte, was die wirklich herausgefunden haben.

Das Landesamt hat bemerkt, dass Sie Beisitzerin im niedersächsischen Vorstand der Rosa-Luxemburg-Stiftung sind.

Ja, und die allerneueste Erkenntnis war, dass ich gar nicht mehr Kreisschatzmeisterin der Linken in der Region Hannover bin. Das war ich vor anderthalb Jahren gewesen, für drei Monate.

Haben Sie nicht irgendwann die Lust auf Einbürgerung verloren?

Doch.

Und warum haben Sie die dann weiter verfolgt?

Weil mein Mann und Genossen wie Jan Korte und Dietmar Bartsch mich gut beraten und unterstützt haben. Hinzuschmeißen wäre ja eine bloße Trotzreaktion gewesen, ich hätte am Ende immer noch nicht wählen dürfen – und Schünemann wäre zufrieden gewesen.

Dadurch sind Sie zum Fall in den Medien geworden. Wie war das?

Ein bisschen unangenehm ist das schon: als Privatmensch da zu stehen, überall steht dein Name. Und von wo man alles E-Mails bekommt, und Briefe und Anrufe. Das macht einem schon ein etwas mulmiges Gefühl.

Anders als bei Ihrem Parteiwechsel von der SPD zur Linkspartei – zumal Sie da nicht alleine waren?

Wir waren zu fünft, und das hat vieles erleichtert. Auch den Umgang mit der Erwartung: Da kommen jetzt so ein paar angepasste Jusos zu uns.

Das war 2007, PDS und WASG standen kurz vor der Fusion …

… es war eine Woche vor dem Vereinigungs-Parteitag, ja …

und Sie waren damals in Niedersachsen Landesvorsitzende der Jusos, was doch ein begehrter Posten ist.

Bestimmt. Und auch verantwortungsvoll. Ich habe dort auch versucht, zu prägen …

Der bietet doch gute Chancen für eine politische Karriere!

Ich mache Dinge aus Neigung – weil es mir Spaß macht, und mich fasziniert. Ich bin nicht zu den Jusos gegangen, um Posten zu bekommen. Die haben sich aus meinem Engagement ergeben: Irgendwann kam jemand und hat gefragt – kannst du dir vorstellen, dieses Amt zu übernehmen? Und dann macht man es schließlich.

Was hatte Sie politisiert? Wie waren Sie zur SPD gekommen?

Einen konkreten Auslöser gab es nicht. Ich bin in die SPD eingetreten, weil ich die immer ganz okay fand. Und geprägt hat mich, denke ich, ein politisch denkender Vater – der sich aber nie politisch betätigt hat. Das hat mich …

genervt?

Das hat mich insofern geprägt, als ich dachte, wenn ich schon meckere, dann will ich erst was tun. Und dann meckern. Und dann – aber das sage ich eher ungern …

Ja?

Ich fand Schröder damals noch ganz knorke.

Das ist einigen so passiert. Kein Grund sich zu schämen.

Schämen wäre zu viel gesagt. Das war einfach so. Ich bin naiv in die Politik gegangen, und man entwickelt sich ja auch. Dass die SPD und auch Schröder nicht mehr so cool war – ist mir erst in der inhaltlichen Arbeit klar geworden. Hat diese alte Geschichte bei der Einbürgerung eine Rolle gespielt?

Vor allem für die Medien war es wichtig, auch weil damit klar war: Die war ja schon mal in der SPD, die erfüllt bestimmte Klischees garantiert nicht.

Welche denn?

Besonders radikal zu sein. Mein eher angepasstes Äußeres hat sein Übriges dazu beigetragen, dass niemand die mir unterstellte Verfassungsfeindlichkeit geglaubt hat.

Fies!

Ja – obwohl der Fall objektiv ja nicht anders gelegen hätte. Wobei, man kann Schünemann ja sehr viel Übles zutrauen. Aber für dumm halte ich ihn nicht. Er muss letztlich auch damit gerechnet haben, dass es ein Echo gibt. Was ich mich frage ist, ob er meinen Fall so betrieben hat, gerade weil ich dem Klischee nicht entspreche – zur Abschreckung.

Von der Einbürgerung?

Ja, und sich politisch links zu engagieren. Das ist schon ein sensibles Verfahren. Ich habe ja auch nicht mit 18 gesagt, zack!, das mache ich jetzt. Das war ein langer Entscheidungsprozess. Und da fällt es leicht, jemanden zu entmutigen. Dafür reicht bestimmt oft eine merkwürdige Mitteilung vom Verfassungsschutz.