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Archiv-Artikel

Nicht ohne meinen Thorshammer

IDENTITÄT Für die breit gefächerte rechte Szene ist der Rückgriff auf völkisch-germanische Mythen eine wichtige ideologische Klammer. Ihr Interesse an Archäologie ist groß

Eigentlich muss man sich ja freuen, wenn der Nachwuchs ins Museum geht. Die jungen Männer, die auffällig oft das Glauberger Keltenmuseum besuchen, haben allerdings ein sehr spezielles Geschichtsinteresse: Es sind Rechtsextreme, die in den Kelten ihre heidnischen Vorfahren und Vorbilder sehen.

Auch Germanen oder Wikinger taugen ihnen als Garanten, von einer überlegenen Rasse abzustammen. Selbst Museen, die die Archäologie-Affinität rechter Ideologen thematisieren, müssen sich auf unerwünschte Besucher einstellen: „Wir haben unser Personal darin geschult, rechte Dresscodes zu erkennen“, sagt Uta Halle, die als Bremer Landesarchäologin die Ausstellung „Graben für Germanien“ konzipiert hat. Auf dem Glauberg waren es freilich Mitarbeiter der Aufsicht selbst, die in SS-artigen Uniformen im Museum posierten.

Dieses völkische Foto-Shooting kostete die Museumsdirektorin das Amt. Doch das große Interesse vieler Rechtsextremer an Frühgeschichte und Archäologie knüpft nicht nur nahtlos an die regelmäßigen Runenschulungen der Hitlerjugend an – es stellt auch die Spitze des gesamtgesellschaftlichen Trends dar, sich Germanen & Co als stolz machende Ahnen anzueignen. Kaum war die Himmelsscheibe von Nebra ausgegraben, schrieb der Spiegel in einer Titelstory: „Nun treten jäh auch aus dem nordischen Hain Mathematiker und gewiefte Kosmologen. Nebra beweist: In Ur-Germanien lebten kleine Einsteins.“

Um diese Behauptung zu unterfüttern, entwickelte das Magazin eine Verschwörungstheorie: An den Externsteinen, einer Felsformation im Teutoburger Wald, würden Funde zurückgehalten, um die Funktion der Felsen als vorchristliches Druiden-Observatorium zu verschleiern. Uta Halle, die sich über die Externsteine habilitierte, stellt klar: „Kein Archäologe bezweifelt, dass die dort gefundenen Scherben und Brandspuren aus dem Mittelalter stammen.“

Ungeachtet der Faktenlage gibt es vielerorts Initiativen für „germanische“ Freilichtmuseen. Im schleswig-holsteinischen Haseldorf hatte der Hamburger Finanzmakler Wolfram Rittker schon die örtliche CDU für einen „Indogermanenpark“ begeistert, zu der auch eine rekonstruierte Hammaburg gehören sollte. „Beides gemeinsam zu nennen zeugt von einer sehr fragwürdigen Gesinnung – oder von völliger Unkenntnis“, sagt Ralf Wichmann vom Hamburger Museum für Geschichte über das zunächst gescheiterte Projekt. Anderswo, etwa im thüringischen „Gervina“-Dorf, spielen längst Kinder auf Teppichen mit eingewebtem Hakenkreuz.

Verbreiteter ist allerdings der Thorshammer: Er kann legal getragen werden, da er zwar schon Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Symbol der völkischen Bewegung, aber nie offizielles Zeichen von NS-Organen war. Die Verwendung archäologischer Artefakte als sichtbarer Bezug auf die „germanischen Ahnen“ sei ein starkes Verbindungselement der diversen rechten Szenen, sagen die Sozialwissenschaftler Jan Raabe und Dana Schlegelmilch. Dabei gehe es keineswegs um romantische Rückschau, sondern letztlich um die Begründung eines „Rassekrieges“: Die Germanenbilder böten „den Stoff, mit dem – heute wie früher – Ausgrenzung und Vernichtung begründet werden“. Bei der Black-Metal-Band Absurd klingt das so: „Ein Volk, ein Glaube, uraltes Heidentum/Germanien über alles, für alle Zeiten nun!“

Die „Germanen“ liefern den Rechten Musik, Mythen, Klamotten, Symbole und konkrete Orte. Manchmal gehören sogar Museen dazu.  HENNING BLEYL