: Gesamtlage unklar
SPITZELEIEN Die rechts-widrige Überwachung von Journalisten in Niedersachsen wird ein Nachspiel im Landtag haben. CDU und FDP reiben sich vor allem am Zeitpunkt der Enthüllung
Das Timing ist in der Tat bemerkenswert. Am Mittwoch machte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) illegale Journalistenbespitzelungen samt Vertuschung durch den Verfassungsschutz in der Amtszeit seines Vorgänger Uwe Schünemann (CDU) öffentlich. Nur wenige Tage vor dem Sonntag, an dem ein neuer Bundestag gewählt wird und Schünemann zeitgleich in Hameln als Landrat kandidiert.
Die SPD spricht von „NSA-Methoden“ unter Schwarz-Gelb. Für die Landtagssitzung in der kommenden Woche hat sie eine Aktuelle Stunde zum Thema angesetzt – mit einem offenen Schlagabtausch zwischen rot-grüner Regierung und schwarz-gelber Opposition ist zu rechnen. Gemeinsam haben SPD- und Grünen-Fraktion bereits eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes angekündigt: Betroffenen sollen künftig Daten über sie offengelegt werden, bevor sie gelöscht werden.
Denn bei den bislang aufgedeckten rechtswidrigen Journalistenüberwachungen hatte Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger die Daten vernichtet, bevor sie die Betroffenen informierte – mit Verweis auf die Rechtslage. Die FDP nennt das Vorgehen einen „Skandal im Skandal“. Das Gesetz schreibt die Löschung unzulässiger Speicherungen zwar vor, eine Frist dafür findet sich aber nicht.
Und während Ex-Innenminister Schünemann jede Verantwortung für die Bespitzelungen von sich weist, fragt die CDU-Fraktion: „Warum gerade jetzt?“. Immerhin war die Behördenleiterin und SPD-Frau Brandenburger schon seit ihrer Beförderung von der Verfassungsschutzsprecherin zur -präsidentin durch Rot-Grün im April auf rechtswidrige Einträge zu Journalisten gestoßen. Die Betroffenen, Landtag und Öffentlichkeit aber wurden erst jetzt informiert.
Brandenburger erklärt, ursprünglich sei geplant gewesen, zunächst ein „Gesamtlagebild“ über die Korrektheit aller Daten ihrer Behörde zu rund 9.000 Personen zu erstellen. Das habe sie verworfen, als ihr ein Mitarbeiter Mitte September den Versuch offenbarte, 2012 die jahrelange Überwachung der taz-Autorin Andrea Röpke zu vertuschen. Mit dem Wahlsonntag habe das Timing nichts zu tun. THA
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