Wenn sich Vorurteile Bahn brechen

ANSCHLAG AUF ASYLHEIM

Komme das Heim, könne man die Kinder nicht mehr rausschicken

Als im August in Hellersdorf Flüchtlinge mit Hitlergruß in Empfang genommen wurden, konnten die Brandenburger auf den Ort Wandlitz verweisen. Dort organisierten Bürger, als Asylsuchende eintrafen, Deutsch- und Kochkurse, spendeten Spielzeug und Möbel, der Landkreis vermittelte später Wohnungen. Brandenburg, Musterland der Asylunterbringung?

Seit Premnitz ist das Bild ramponiert. Unbekannte schoben in der Kleinstadt in der Nacht zu Mittwoch Mülltonnen vor eine leere Schule, die künftig als Flüchtlingsheim dienen soll, und zündeten sie an. Die Tür verkohlte, die Polizei sprach von einer rechtsextremen Tat, der Innenminister schaltete sich ein. Bloß kein zweites Hellersdorf!

Zu spät – der Vergleich war da. Umso mehr, als die Premnitzer blafften: Komme das Heim, könne man die Kinder nicht mehr rausschicken, sei man nicht mehr sicher. Und der Bürgermeister stimmte ein.

Nur war das Image des Musterlands schon zuvor fragil. Denn bis heute steckt Brandenburg Flüchtlinge auch in verlassene Heime außerhalb der Städte, werden in drei Landkreisen noch Gutscheine statt Bargeld an Aslysuchende verteilt, befindet sich in der Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt gleich auch der Abschiebeknast. Es ist diese Art „Willkommenskultur“, die den Bürgern vermittelt: Diese Neuankömmlinge gehören nicht dazu.

Umso bemerkenswerter, wenn diese aufgebaute Kluft wie in Wandlitz durchbrochen wird. Auch in Berlin, in Neukölln, versprachen Bürger jüngst Flüchtlingen ihr Willkommen. Musterländer? Eine zu schlichte Illusion. Es ist keine Frage der Region, ob sich Vorurteile Bahn brechen. Es ist eine Frage der Courage Einzelner, die andere ansteckt und die Engstirnigen überstimmt – die hinterm Gartenzaun wie die in den Amtsstuben.

Hellersdorf und Premnitz zeigen, wie schnell es erschreckend wird, wenn dieser Einsatz fehlt.KONRAD LITSCHKO