: Der schöne Blick nach hinten
ZUKUNFT Die taz plant einen Neubau des Verlagshauses an der Friedrichstraße in Berlin. Alle tazlerInnen sollen sich wieder unter einem Dach versammeln
VON KARL-HEINZ RUCH
Als die taz am 17. Juni 1989, damals war das noch der Tag der Deutschen Einheit, vom Berliner Wedding in das alte Berliner Zeitungsviertel zog, war diese Gegend in der Kochstraße – direkt an der innerdeutschen Grenze – ein Niemandsland an einem berühmten Checkpoint. Das änderte sich ein halbes Jahr später mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung. Geschichte spielte sich nun direkt vor der Haustür ab. Der Checkpoint Charlie war offen und machte den Weg frei in die historische Mitte der Stadt mit ihrem kulturellen und bald auch politischen Leben.
Im letzten Vierteljahrhundert hat die taz selten in die Südliche Friedrichstadt und somit nach hinten geschaut. Dieses im 19. Jahrhundert dicht bebaute Viertel mit Belle-Alliance-Platz (ab 1947 Mehringplatz), Markthalle und Schinkels Neuer Berliner Sternwarte, die 1912 schon wieder abgerissen wurde, weil durch den Rauch der Schlote keine Sterne mehr zu sehen waren, hatte nach dem Zweiten Weltkrieg nie wieder zu sich gefunden.
Die Planungen für eine autogerechte Stadt und einen sozialen Wohnungsbau, der in der taz treffend „sozialdemokratische Gewaltarchitektur“ genannt wurde, konnten die Wunden so wenig heilen wie die Bauten berühmter Architekten der Internationalen Bauausstellung (1977–1987). Nun keimt Hoffnung auf für diese schwer geplagte Gegend. In der Halle des ehemaligen Blumengroßmarkts befinden sich inzwischen Daniel Libeskinds Bauten für die Akademie und das Archiv des Jüdischen Museums mit dem Garten der Diaspora. Auf den freien Flächen rundherum gibt es ein Standortentwicklungskonzept für ein Kunst- und Kreativquartier. Hier wird viel passieren in den nächsten Jahren. Die taz hat lange in die andere Richtung geschaut. Fast zu spät haben wir bemerkt, dass dieses neue Quartier auch für uns Entwicklungsmöglichkeiten bietet: ein neues Haus für die taz mit einem interessanten Umfeld, in dem wieder alle tazlerInnen unter einem Dach arbeiten können.
Angenehme Räume sollen entstehen, die unserer wichtigstes Kapital beherbergen werden: die Kreativität und Kompetenz engagierter Mitarbeitender. Wir prüfen die Machbarkeit, die Vorteile und die Kosten eines neuen taz-Verlagshauses in der Friedrichstraße. Das große Kollektiv der taz hat schon in früheren Zeiten richtige und wichtige Entscheidungen getroffen, die erst viele Jahre später zum Tragen kamen: etwa Berlin als Standort für die taz zu wählen oder für die Häuser in der Kochstraße und für die taz-Genossenschaft.
Sie ist heute das Rückgrat der publizistischen und ökonomischen Unabhängigkeit der taz und die Gewähr dafür, dass es die taz auch noch dann geben wird, wenn man sich an die „Zeitungskrise“ nur noch als Episode aus der frühdigitalen Zeit erinnern wird.
■ Karl-Heinz Ruch ist seit 1978 Geschäftsführer der taz