: Das Donnern nach dem Sturm
Berlin Thunder bleibt weiter ohne Heimsieg: Die Footballer verloren am Samstag mit 31:38 gegen Amsterdam. Die Chancen auf das NFL-Finale sind damit stark gesunken
Das Spiel war aus, der Nachthimmel hatte sich dunkelviolett über das Olympiastadion gesenkt – und auch die weiteren Aussichten von Berlin Thunder scheinen nach der 31:38-Niederlage gegen die Amsterdam Admirals eher düster. Das Football-Team aus der Hauptstadt steht nun mit nur einem Sieg aus den ersten vier Spielen da, aber immerhin auch mit einer Einigkeit, die gemeinhin eher selten ist in erfolglosen Mannschaften.
Durch die Niederlage, befand Quarterback Lang Cambell, sei es sicherlich nicht einfacher geworden, die World Bowl zu erreichen. Das Endspiel der NFL Europe sei noch zu schaffen, daran glaube er fest, meinte Verteidigungsspezialist Samuel Taulealea, aber allzu simpel sei die Aufgabe nicht. Und Chefcoach Rick Lantz schließlich stieß ins selbe Horn: „Sehr, sehr schwierig“ sei die Aufgabe nun geworden, zum vierten Mal den Titel nach Berlin zu holen.
Hier allerdings hörten sie auf, die Übereinstimmungen an diesem Samstagabend. Schon, wer denn die Verantwortung trug für die Niederlage gegen Amsterdam, war höchst umstritten. Campbell, als Quarterback der Leiter der Angriffsabteilung, glaubte: „Wir haben nicht genug Punkte gemacht.“ Taulealea sah die Schuld bei sich und seinen Kollegen von der Defense. Und schließlich wollte auch der Chef selbst nicht zurückstehen: „Wir Trainer müssen noch besser arbeiten.“ In einem Satz zusammengefasst: Jeder wollte schuld sein. Beste Voraussetzungen also für baldige Besserung.
Da, sollte man meinen, dürfte es doch kein Problem sein, dem einen Erfolg zum Saisonauftakt noch weitere folgen zu lassen. Zumal alle Beteiligten nun auch erst einmal neun Tage Zeit haben, um sich auf die kommenden Aufgaben vorzubereiten. Dann allerdings folgen zwei Begegnungen innerhalb von nur sechs Tagen: zuerst am Ostermontag gegen die Cologne Centurions im Olympiastadion, am Samstag darauf in Frankfurt gegen die dort ansässige Galaxy. Danach könnten sich die Träume von Berlin Thunder, zum dritten Mal hintereinander die World Bowl zu erreichen, bereits erledigt haben. Denn: „In einer Saison mit nur zehn Spielen“, wusste Bart Andrus, Chefcoach der an diesem Abend siegreichen Amsterdam Admirals, anzumerken, „da ist jeder Sieg enorm wichtig.“ Und umgekehrt eben auch jede Niederlage geradezu dramatisch.
Cheftrainer Lantz, der in seiner Zeit in Berlin noch nie so lange ohne Sieg geblieben war, nutzt nun die längere Pause bis zur nächsten Begegnung und gibt den Spielern erst einmal zwei Tage frei. Er hofft, die Seinen mögen danach „wie verjüngt und psychisch erholt“ zum Training erscheinen, um die Spielzeit quasi noch einmal von vorne zu beginnen. Diesen psychologischen Trick hatte er allerdings schon einmal angewandt, als er seinen Profis einzureden versuchte, das Spiel gegen Amsterdam sei „das erste einer neuen Saison“. Das ging ja bekanntlich schief.
Nach dem Spiel stand dem sonst eher einen väterlich milden Stil pflegenden Lantz die Zornesröte im Gesicht. Vor allem die Minuten kurz vor und kurz nach der Halbzeit hatten seinen Missmut erregt. Zu beiden Gelegenheiten waren die Admirals nahezu über das gesamte Spielfeld marschiert und hatten jeweils so problemlos Touchdowns erzielt, dass der Trainer befand, seine Verteidiger hätten „schlecht organisiert“ gewirkt, ja gar „verwirrt, obwohl sie es nicht hätten sein sollen“.
Das „regt mich richtig auf“, gestand Lantz, der sich als ehemaliger Defensive Coordinator vor allem für die Leistungen der Verteidigung verantwortlich fühlt. Er mache „sich wirklich Sorgen“, wenn seine Teams so viele Punkte kassieren, wie das momentan der Fall ist. Allerdings hat er damit zu kämpfen, dass vor dieser Spielzeit der gesamte, für die Defense verantwortliche Trainerstab von Thunder neu besetzt werden musste. Nun will Rick Lantz in den kommenden Tagen den Trainingsaufbau überprüfen und – wenn nötig – die Methoden umstellen, um die stark schwankenden Leistungen seines Teams zu stabilisieren – bei der Mannschaft wechselten sich auch im Angriff Licht und Schatten mal wieder in extremer Weise ab. Das käme dann womöglich gerade noch rechtzeitig. Denn schließlich, auch hier war man sich allgemein einig, ist „die Saison noch nicht vorbei“. Das hatte Quarterback Campbell festgestellt, und Christian Mohr, der wieder mal bester deutscher Verteidiger von Thunder war, befand: „Die World Bowl ist noch drin.“ Dazu allerdings müssten von den letzten sechs Spielen zumindest fünf gewonnen werden, wenn man sich noch eine halbwegs realistische Chance aufs Endspiel erhalten will. Sollte das Unterfangen doch noch gelingen, dann dürften sich vermutlich wieder alle einig sein, wer schuld ist: alle zusammen.
Thomas Winkler