Beratungsstellen haben Beratungsbedarf

Ohne das Geld aus dem „Civitas“-Programm stehen in Berlin die mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus und die Opferberatung „Reach Out“ vor dem Aus. Der Senat sieht keine Möglichkeit, die Projekte zusätzlich zu unterstützen

Für die Projekte gegen Rechtsextremismus, die im „Civitas“-Programm finanziert werden, ist das Warten auf Haushaltsentscheidungen oder auf den Ausgang von Wahlen mit möglichen politischen Umstrukturierungen Alltag. „Unsere Förderung wurde immer nur von Jahr zu Jahr bewilligt“, sagt Bianca Klose, Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). Sie ist zuständig ist für die Bezirke Treptow-Köpenick, Lichtenberg-Hohenschönhausen, Pankow und seit vergangenem Jahr auch für Friedrichshain-Kreuzberg. „So arbeiten zu müssen ist ein unhaltbarer Zustand.“

Doch auch unabhängig davon, in welchem Umfang ein neues Civitas-Bundesprogramm aufgelegt wird, sieht es für einige Initiativen düster aus. Für Strukturprojekte etwa, die auf lange Sicht angelegt sind, kommt eine solche Förderung ab 2007 sowieso nicht mehr in Frage – aus haushaltsrechtlichen Gründen.

Denn der Einsatz von Bundesmitteln kann nur Anregungs- oder Anschubcharakter haben. Gefördert werden zeitlich begrenzte oder Modellprojekte. Eine Modellphase kann maximal sechs Jahre dauern, also die Laufzeit des Civitas-Programms, das 2006 endet. Danach sollten die Projekte, die sich bewährt haben, in die Regelförderung der Länder übernommen werden. Sind die Länder zur Finanzierung nicht in der Lage, so droht das Aus. Betroffen sind unter anderem die Mobilen Beratungsstellen „MBR“ und „Ostkreuz“ und die Opferberatungsstelle „Reach Out“. Dem Senat ist die Fortführung wichtig, betont Günter Lewanzik, im Büro des Integrationsbeauftragten zuständig für die Kofinanzierung. Mehr als die 310.000 Euro, die der Senat in diesem Jahr dazugibt, seien aber bei bestem politischen Willen nicht aufzubringen. Die restliche Finanzierung aus dem „Civitas“-Programm in Höhe von 454.000 Euro müssten weiter aus Bundesmitteln kommen.

Bereits die rot-grüne Bundesregierung hatte das Problem im Blick. Die SPD beschloss auf ihrem letzten Parteitag, sich für die dauerhafte Finanzierung aus Bundesmitteln durch eine Stiftung einzusetzen, und in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU wurde die Verstetigung der Arbeit gegen Rechtsextremismus als Regierungsziel durchgesetzt. „Es gibt derzeit eine große Verunsicherung bei den Projekten“, sagt Lorenz Korgel, Koordinator für die Mobilen Beratungsstellen, „ob die Aussagen der SPD gelten – oder ob sich das CDU-geführte Familienministerium durchsetzt mit einem neuen Programm für neue Modellprojekte und mit neuer Ausrichtung.“

Bis die politische Entscheidung gefallen ist, heißt es in den Projekten Hoffen – und trotz Ungewissheit engagiert weiterarbeiten. „Wir versuchen, den Akteuren, die wir unterstützen, die Ernsthaftigkeit der Situation zu vermitteln“, sagt Bianca Klose „ihnen aber nicht das Gefühl zu geben, dass wir auf gepackten Koffern sitzen.“ BEATE SELDERS