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Archiv-Artikel

Der Handschlag

BILDBETRACHTUNG Der Vorstandsvorsitzende der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, inszenierte sich im Untersuchungsausschuss. Die taz hat genau hingeschaut und ein modernes Medien-Happening gefunden

Steffen Burkhardt, 32

■ erforscht am Lehrstuhl Journalistik und Kommunikationswissenschaft der Universität Hamburg die Skandale der Mediengesellschaft.Foto: CJCS

VON STEFFEN BURKHARDT

Man kennt sich. Man sieht sich. Man reicht einander die Hand. Der Begrüßungsgestus, den die Fotografie festhält, wirkt auf den ersten Blick wie ein Ritual unter befreundeten Hanseaten. Es zeigt den Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank, Dirk Jens Nonnenmacher, zu Beginn des parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft vor wenigen Wochen. Seine Begegnung mit den Ausschussmitgliedern verdichtet den Milliardenskandal zu einer Bildikone, die das Ereignis als Medienspektakel entlarvt.

Mit nach hinten gegeltem Haar steht Nonnenmacher im Mittelpunkt der Momentaufnahme und reicht die rechte Hand zur Begrüßung. Von seinem Gegenüber am linken Bildrand ist nur die Hand zu sehen. Es trägt wie Nonnenmacher ein weißes Hemd unter einem Sakko, ist daher wohl männlichen Geschlechts und befindet sich hinter einer Tischgruppe, um die weitere Männer sitzen.

Die kunsthistorisch tradierten Bildhierarchien werden hier umgekehrt: Während in Gemälden wie Lorenzo Lottos Darstellung der Santa Lucia vor Gericht die Angeklagte zu ihrem auf einer Empore sitzenden Richter aufblickt, schaut Nonnenmacher auf die Ausschussmitglieder herab. Wir, die Betrachter, finden uns mit ihnen perspektivisch knapp unterhalb seiner rechten Achsel wieder, die exakt den Bildmittelpunkt markiert.

Die uniforme Kleidung der Herren aus gedeckt farbigen Anzügen, weißen Hemden und Krawatten bildet den typischen Fundus für die zeitgenössische Kostümierung von Politikern und Managern. Die symbolreiche Kulisse lässt erkennen, dass sich hier ein politisches Gremium öffentlich inszeniert. Die im rechten Winkel aufgestellten Konferenztische mit Holzfurnierplatten und Metallklappfüßen verraten, dass der mit Parkettboden, schwarzem Marmor, schwerer Holztür und aufwendig geschnitzten Bücherregalen ausgekleidete Raum für den Bildanlass zweckentfremdet wurde.

In den drei Bibliotheksschränken im rechten Bildhintergrund stehen unzählige, identisch in schwarz-rotes Leder gebundene und mit Gold geprägte Bücher. Sie sind ein Indiz, dass es sich bei dem Raum um einen Gerichtssaal handelt. In der Tat: Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur HSH-Nordbank-Krise wurde auf den gleichen Tag wie das Matthiae-Mahl gelegt und daher – so die offizielle Begründung – vom Rathaus ins Hanseatische Oberlandesgericht verlegt. So wurde die visuelle Verknüpfung der Bildmotive „Rathaus“ und „HSH-Nordbank-Chef“ umgangen. Die semantische Aufladung des Orts suggeriert Unabhängigkeit, Seriosität, Rechtschaffenheit und verschleiert die Verstrickungen des Senats in das Bankdesaster, der sich lieber mit den Matthiae-Gästen fotografieren lässt.

Die ostentativ gediegene Kulisse des Untersuchungsausschusses passt ebenso gut ins feine Hamburg wie die distinguierte Geste des hanseatischen Handschlags, mit der Nonnenmacher seine Verlässlichkeit zum Ausdruck bringen möchte und die hier im Bild als ikonografischer Spannungsbogen zwischen zwei Bildsphären fungiert. Die Grenze zwischen dem Bildraum des Angeklagten und dem seiner Ankläger wird durch die mit Akten, Getränkeflaschen und Namensschildern beladenen Tische umrissen, die dem Manager seine Arena zuweisen.

Auf der mittleren Vertikalachse des Bildes befindet sich hinter Nonnenmachers Kopf ein Lautsprecher, dessen Aufstellung ebenso provisorisch ist wie die Verkabelung der Mikrofone, die sich wie ein schwarzer Kunststofffaden durch den inneren Bildraum zieht. Sie sind deutliche Hinweise auf den medialen Eventcharakter des Verhörs. Hier findet eine große Show vor ehrwürdiger Kulisse statt. Ein modernes Medien-Happening, in der Nonnenbacher gleich zu Protokoll geben wird, dass er sich durch die Befragung nicht „stimuliert“ fühle und sich gern „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ Experten für Antworten zur Verfügung stelle.

Liegt links im Bild nicht eine Kamera, mit der man ein hübsches Erinnerungsfoto schießen könnte?

Besonders auffällig ist, dass die abgebildeten Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Termin offenbar selbst als Happening zelebrieren. Die Stimmung ist gut, während Nonnenmacher seine Begrüßungsrunde dreht. Die beiden GAL-Politiker am linken Tischende, Farid Müller und Andreas Waldowsky, scheinen sich zu amüsieren. Und liegt da nicht links hinter dem Namensschild des CDU-Abgeordneten Dittmar Lemke, der sich gerade setzt, eine Kamera versteckt? Mit der man ein hübsches Erinnerungsfoto schießen könnte, um zu dokumentieren, dass man Mitglied im PUA war?

Das Kalkül des habilitierten Mathematikers Dirk Jens Nonnenmacher scheint aufzugehen: Der gebürtige Karlsruher gibt sich hier nicht in der visuellen Tradition des Büßers vor Gericht, wie wir sie aus der Kunstgeschichte kennen, sondern als hanseatischer Kaufmann, der seine Geschäftspartner begrüßt. Freundlich schaut er durch seine randlose Brille sein Gegenüber an und signalisiert lächelnd, was Krisenmanager ihren Schützlingen ins Drehbuch schreiben: Ich habe nichts zu verbergen.

Diese Inszenierung wird jedoch durch die Körperhaltung des Vorstandsvorsitzenden der HSH Nordbank verraten, die wie das gesamte Bild eine sprichwörtliche Schieflage hat. Sein nach hinten durchgestreckter linker Arm lässt große Anspannung erkennen. Die linke Hand klammert sich verkrampft an einem gerollten Stück Papier fest. Am deutlichsten aber konterkariert der Handschlag selbst die Konnotation des Rituals: Die Hände umfassen sich nicht. Das Gegenüber hält lediglich Nonnenmachers rechte Finger in der Hand, der aus größtmöglicher Distanz salutiert. Der Banker Nonnenmacher ist nicht zu greifen. Die Bildsymbolik entpuppt sich als leeres Ritual und entlarvt den PUA als Mimikry.