überwachte hochschule
: Sinnloser Kontrollwahn

Überwachungskameras in Bibliotheken können keine Diebstähle verhindern. Sie zeichnen sie höchstens auf – und selbst das können sie in einem mit Bücherregalen vollgestelltem Raum nur mangelhaft. Was sie können – und können sollen – ist Kontrolle suggerieren. Und damit einschüchternd Sicherheitsgefühle vorgauckeln. Eine Methode, die sich zunehmend im öffentlichen Raum ausbreitet – meistens, ohne groß angekündigt oder gar diskutiert zu werden. Die Münsteraner Universität hatte nicht einmal einen Überblick über die Anzahl ihrer Kameras – einzelne Fakultäten hängten einfach mal welche auf. Die meisten Menschen, die sie damit filmen, klauen, prügeln oder dealen nicht – stehen aber trotzdem unter Generalverdacht und werden Teil eines immer größer werdenden Datensammelsuriums.

KOMMENTAR VON MIRIAM BUNJES

Kameras filmen, welche Bücher Studierende in der Bibliothek lesen, mit welchen Menschen sie sich im Flur unterhalten. Wer sich unter solcher Kontrolle weiß, verhält sich so angepasst und unauffällig wie möglich, erklärten die Richter des Bundesverfassungsgerichts im vielzitierten Volkszählungsurteil. Für eine demokratische Gesellschaft ist das tödlich. Der Nutzen in der Kriminalitätsbekämpfung ist dabei eher klein, zeigen immer mehr Studien. Eine Kamera kann schließlich nicht eingreifen, wenn jemand zuschlägt. Und wer ein Buch klauen will, kann sich dafür auch vor der Kamera verstecken. Trotzdem wird Überwachung normal: Die Uni Münster muss erst verklagt und von der Datenschutzbeauftragten abgemahnt werden, bevor sie sich überhaupt zentral mit der Datenschutz-Problematik ihrer Kameras auseinandersetzt. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht offenbar weit hinter dem vorsorglichen Eigentumsschutz zurück: Eine bedenkliche Prioritätensetzung – gerade für einen Ort wie eine Universität, der freie Gedanken denkbar machen will und soll.